Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Ebersdorf, 21. September 1855

Ebersdorf 21 Septbr. 55.

Lieber alter Junge!

Heute Mittag kam, als willkommene Nachfreude Dein Brief aus Riva an. Ich beeile mich, Dir nach Innsbruck noch eine Antwort zukommen zu lassen, damit Du, solltest Du keine Briefe aus Berlin erhalten, doch weißt, wie es dort steht. Die liebe alte Mamma hat die von Quincke angeordnete Tour überstanden, u. Quincke ist mit dem Erfolg zufrieden, und nach Schwager Karl’s Bericht (er ist am Dienstag nach glücklich überwundenem Manöver bei uns angekommen u. ich mit ihm u. H. v. Beulwitz meinem Hülfsjuristen auf einer Bummeltour nach Blankenberg u. der Burgk unterwegs) ist das Gesicht wirklich bedeutend besser. Nur sehr angegriffen soll sie sein.

Sie wünscht nun sehr, daß Du nach der großen Reise auf einige Tage nach Berlin kommen mögest. Thue es ja u. laß lieber einige Tage die Du für München oder für die Polyklinik bestimmt hast, fahren. Zu letzterer kannst Du Dich am Ende schriftlich melden, wenn Du dem betreffenden Herrn Professor schreibst, was Dich abhalte, rechtzeitig einzutreffen. || Daß Du dann nicht zu uns kommst, finde ich sehr natürlich. Ich verzichte gern zu Gunsten der Ältern auf den Besuch. Mache diesen aber ja die Freude. Du kannst ja von München aus in Einer Tour bis Berlin durchfahren.

Für Deinen Brief herzlichen Dank. Er hat mir sehr viel Freude gemacht. Halte Dich nur munter u. gesund; ich habe gestern recht viel daran denken müssen, was Dir vielleicht passirt wäre, wenn Du in diesem Jahre mit Johannes Müller eine wissenschaftliche Exkursion gemacht hättest. Er ist auf der Rücktour von Bergen in Norwegen gescheitert, und mit genauer Noth mit dem Leben davon gekommen; sein Begleiter einb junger Stud. med. Schmidt (Sohn eines verstorbenen Geh. Raths u. Professors Schmidt) ist dabei ertrunken. Gott beschütze Dich mein lieber alter Junge u. lasse Dich wohlbehalten zurückkehren.

Mir, Mimmi u. den Kindern geht es wohl, alles grüßt bestens. ||

Ich wünsche mir, daß Dich mein Brief noch in Innsbruck trifft. Für den Winter werde ich nun erst von Ende October ab als Strohwittwer in Ziegenrück bleiben, da Mimmi mit den Kindern und Sachen dann schon fort sein wird. In Freienwalde werden wir bis Ostern, wo die Wohnung unsers Vorgängers, die ich gemiethet habe, erst offen wird, ein interimistisches Quartier nehmen müssen.

Ade, alter Junge ich bin sehr müde es ist bald 12 Uhr

In treuer Liebe Dein

Karl.

NB Kommst Du über Ziegenrück, so bist natürlich sehr willkommen. K.

a irrtüml.: einer

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.09.1855
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35433
ID
35433