Haeckel, Karl; Haeckel, Hermine

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Ziegenrück, 29. Dezember 1852, mit Nachschrift von Hermine Haeckel

Ziegenrück den

29 December 52.

Lieber Bruder.

Wenn Du heut nur einen kurzen Brief erhältst, so mußt Du die Schuld darauf schieben, daß ich allzusehr mich für Deine Geschmacksnerven interessire. Die eigengebackene Ziegenrücker Stolle, die Du mit dem Kistchen erhalten wirst, wird sonst gar zu alt. Unendlich leid hat es uns gethan, daß Du nicht kommen konntest. Wir hatten es uns so fest eingebildet, daß wir durch Deinen Brief recht unangenehm aus unsern Träumen aufgerüttelt wurden. Wie wirst Du, armer Junge, nur das Fest zugebracht haben? Gewiß nicht so fröhlich, wie sonst. Wie wir dieser Tage gelebt haben, wird Dir Mimmi schildern. Jetzt lebe ich wieder sehr in den Akten.

Von Posena erfreute uns am 23ten die Nachricht, daß Helene glücklich mit einem Töchterchen niedergekommen ist. Es ging bis dahin recht gut. Mutter Minnchen ist gleich hingereist und die andern Stettiner zum Fest nach Berlin. Von Stettin und Berlin haben wir noch nichts zu Weihnachten erhalten. Ist es mit Fracht zugeschickt, wird es wohl spät kommen.

Eben sagt mir Mies, sie müsse heut früh nach Stettin schreiben; da bin ich denn genöthigt, doch || noch Einiges hinzuzufügen damit Du nicht gar zu leer weg kommst. Heilig Abend wurde in der großen Eckstube aufgebaut. Kurz vorher hatten wir beiden uns einen Baum, eine schöne Tanne, mit Aepfeln, Nüssen und Kuchenzeug hübsch angeschmückt. Er prangte in der hellsten Beleuchtung. Für Mimmi war auf dem Spiegeltischchen, in der Ecke zwischen beiden Fenstern, aufgebaut: ein Album, in das die Aegidische Zeichnung hineingewandert ist, ein Kalender, eine einfache weiße Fußbank für die Kirche, und eine nettere polirte, mit Sammetüberzug, die sie in meiner Stube braucht.

Für mich auf einem Tischchen daneben die beiden ersten Hefte des neuen illustrirten Faust in folio. Wir hatten sie zur Ansicht gehabt und sie hatten mir sehr gefallen, das hatte sie, die liebe Seele, mir abgemerkt und gleich beschlossen, mir dies zu schenken. Außerdem baute ich mir selbst einen Holzkorb für meine Stube und ein Paar große Wasserstiefel auf.

Den 1. Feiertag waren wir früh in der Kirche Abends bei Doctors, mit Rechtsanwalts, dem Baumeister und Inspektors aus der Lämmerschmiede zusammen. Mit Ausnahme des letzteren war dieselbe || Gesellschaft am 2ten Feiertag bei Harras. Den 3ten Vormittags machte ich mit Mimmi bei Herrn Heckel in Cülmla Besuch.

Seit gestern bin ich wieder unter das Alltagsjoch gekrochen.

Du wirst nun auch schon umgezogen sein. Hoffentlich trifft Dich doch das Kistchen, das ich nach der alten Wohnung dirigiere.

Ade, alter Junge. Mimmi grüßt bestens. Wir danken Dir noch recht für Deinen letzten Brief, den wir in noch nicht 48 Stunden hatten.

In alter Liebe

Dein Karl

[Nachschrift von Hermine Haeckel]

Ganz ohne einen Gruß Deiner Frau Schwester kann der Brief doch nicht abgehen und einen herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr füge ich gleich bei; mögtest Du dasselbe wohler und nicht so bekümmerten Herzens verleben, wie Du es beschließt. Das beste Mittel nicht so schwerb lastende Gedanken zu haben, ist ein frisch u. thätig ergreifen einer Sache. Das rathe ich Dir recht sehr an, und glaube fest, daß es Dich über all die Grillen fortbringen wird. Wo wir Dir helfen können, werden wir herzlich gern dazu bereit sein.

Schreib doch, wenn Du das Kistchen erhalten.c

Das Kistchen gehört Deiner Mutter, hast du mal etwas || zu schicken, so nimm das, da sie gern bei Gelegenheit die Kistchen wieder hat. Der Inhalt ist außer dem Zucker Deiner Schwester eignes Backwerk, der Stollen hat den neuen Backofen eingeweiht. Hoffentlich schmeckt er Dir so gut wie uns. Eigentlich sollte derselbe zum Fest bei Dir sein, ich konnte aber erst am Donnerstag backen. Und nun leb wohler in der neuen Wohnung, denke aber in alter Liebe an

Deine Schwester.

a gestr.: Stettin; eingef.: Posen; b gestr.: e; c Eingef. von Karl Haeckel: Schreibe doch … erhalten.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.12.1852
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 35414
ID
35414