Potsdam 2 Mai
1897.
Liebes Bruderherz!
Ich kann Dir melden, daß ich seit Donnerstag, d. 29/4 Anfang der sechsten Krankenwoche mit Liegena, täglich des Nachmittag’s 1-1½ Stunden außer Bett im alten Großvaterstuhl in der großen Hinterstube wohl verpackt zubringe. Ich genieße dort den Blick auf das frische Grün bei Nachmittags Sonne, vorgestern an dem köstlich warmen u. durch Regen erquickten Tage (gestern + 21°) bei offenen Fenstern Frühlingsluft schlürfend. Im Uebrigen geht es langsam, namentlich mit dem häßlichen, angreifenden Katarrh; Consudat bedeutend vermindert u. keine Schmerzen verursachend; Kräfte noch mäßig. Lasse mir viel vorlesen und bin in Semon’s mich sehr interessirenden || „australischen Busch“ über das erste Drittel hinaus, jetzt bei der Nordostküste.
Von der Familie nichts Neues; meine kleine Schwiegertochter Traude bessert sich endlich auch allmählig.
Mehr mag ich, bei der unbequemem Lage, im Bette aufsitzend an einer schräg vorgeschobenen Tischplatte, nicht schreiben.
Sei Euer Einzug in die alte Medusa der Anfang einer besseren häuslichen Periode.
Mit Grüßen an Euch alle
Dein treuer Bruder
Karl.
Wo steckt Walter?
Wann reisen Hans’ens?
Heute meiner Frau Clara Geburts Tag; tempi passati! ˗
a mit Einfügungszeichen eingef.: Anfang der sechsten Krankenwoche mit Liegen