Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 1. Dezember 1887

Potsdam 1 Decbr 87.

Lieber Bruder!

Du hast lange nichts Direktes von mir gehört. Ich habe vorausgesetzt, daß Dir mein Heinrich Mittheilungen gemacht hat aus den Cirkularschreiben, die ich seit einiger Zeit an die 3 auswärtigen Söhne in Celle, Meisdorf, Jena sende. (Er soll sie mir nur nicht ewig liegen lassen; ich habe deshalb die leichten in obiger Reihenfolge u. nicht zuerst an ihn gesandt). Aber ich muß Dir doch endlich auch mal direkt schreiben, schon um Mutters Dank für die deutsche Bearbeitung der Radiolarien :/von der sie von Reimer ein Exemplar erhielt/: Dir zu sagen. Sie meinte zwar „das hättest Du lassen sollen“, aber sie hat sich doch recht darüber gefreut in ihrem mütterlichen Stolze über ihren Sohn. Ich habe in den hübschen Abbildungen geblättert, die ja || wie natürlich vielfach an Bd. I erinnern aber doch auch wieder manche neue staunenerregende Formen enthalten. Vom Text habe ich die Partie über die Literatur gelesen, die mich ihres historischen Entwicklungsgangs wegen interessirt hat und mir am verständlichsten war. Dann habe ich die immense Arbeit, die in dem Ganzen steckt u. zum Theil doch auch recht langweilig für Dich gewesen sein muß, bewundert. Ich kann mir denken, daß Du froh bist, diese Herkulesarbeit hinter Dir zu haben und mit Vergnügen, zur Erholung, an andre Dich machst.

Alt Mütterchen geht es in alter Weise, nur manchmal recht schwach, namentlich, wenn sie schlaflose Nächte hatte. Dann quält sie sich auch oft wieder mit dem Gedanken herum, „sie wünsche die Papiere in Ordnung zu bringen“ u. || will durchaus, ich solle ihr zu diesem Zweck die Coupons bringen. Aber daraus wird nun einmal nichts! Ich habe ihr die jährliche Rente aus den Papieren, die sie jetzt hat, zusammengestellt u. damit muss sie sich begnügen. Könnte ich ihr nur diese wiederholte Selbstpeinigung, die sie sich mit solchen Gedanken auferlegt, abnehmen! –

Von Meisdorf habe ich befriedigende Nachrichten. Der Celler kommt hoffentlich zu Weihnachten u. Heinz wird sich doch wohl auch auf einige Tage losmachen können. Die beiden Belziger sind seit vorgestern wieder ganz hier u. treten morgen in die Landgerichts-Arbeit ein. Sie haben die von Scheidt gewohnten 2 zwei Stuben, unten links, bezogen u. fühlen sich dort ganz behaglich. Tante Berta geht es doch leidlich besser; sie ist an ihrem Geburts Tag u. seitdem noch || zweimal bei Mutter hiergewesen.

Bis Ende November habe ich immer allerlei vorgehabt, namentlich auch mit den Stadtverordnetenwahlen; jetzt komme ich erst mehr zur Ruhe u. hoffe für mich etwas arbeiten zu können. – Wie trüb ist’s doch mit der Krankheit des Kron Prinzen! – Ich kann mich bei allen günstigen Nachrichten des Gedankens nicht erwehren, daß diese nur zur Beruhigung des Publikums ausgestreut werden u. mindestens stark gefärbt sind. Heute erst hörte ich, daß jemand aus den Hofkreisen, der kürzlich in St. Remo war, ihn doch recht jämmerlich aussehend gefunden haben soll. Aber wie reimt sich damit sein eigener Brief an Dr. Hinzpeter?

Die Kinder lassen Euch herzlich grüßen.

In alter Treue

Dein

Karl.

aFriedel erinnert daran, Du hättest ihm fremde Briefmarken schicken wollen, denke daran, wenn Heinz kommt.

a weiter am Rand v. S. 4: Friedel erinnert daran…wenn Heinz kommt.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
11.12.1887
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35238
ID
35238