Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 31. August 1871

Potsdam d. 31. 8. 71.

Lieber Bruder!

Deine neuliche Anfrage nach unserm Befinden hat Dir Clara in meiner Abwesenheit beantwortet. Seitdem hat es sich mit Ernst, Georg u. Julius gebessert; wenn sie auch noch dann u. wann husten, so gehen doch erstre beide wieder zur Schule u. treiben sich bei dem jetzt so schönen Wetter viel im Freien umher. Dagegen macht uns unser Max rechte Sorge. Den Tag vor seinem Geburts-Tage trat zu dem häßlichen Stickhusten, von dem ihn des Nachts wie bei Tage alle ½ bis 1 Stunde starke Anfälle heimsuchen, noch ein Magen- u. Darmkatarrh hinzu, der ihn recht mitnimmt. Saleb will er nicht mehr nehmen, genießt überhaupt nur wenig, gestern hat er auch einmal gebrochen. || Die Ausleerungen, c. 8 in 24 Stunden, lassen nicht nach, u. wenn auch der Doktor bis jetzt den Zustand für nicht bedenklich hält, so können wir uns doch nicht die Gefahr verhehlen, die stets in einem solchen chronischen Krankheitszustande, der das Kind so stark mitnimmt, liegt. Jetzt soll er alleina geschabtes Fleisch u. etwas Ungarwein (den er stets schon bekommen) in kleinen Dosen den Tag über bekommen. Clara ist von der beständigen Sorge u. der nächtlichen Wartung recht mitgenommen u. will sich doch nichts abnehmen lassen.

Unser Karl hat das schriftliche Examen hinter sich und soll am nächsten Dienstag das mündlicheb machen. Hoffentlich geht alles gut und wir sehen ihn bald als Mulus hier.

Viel geht uns die Wohnung durch den Kopf, die wir am 1 April kommenden Jahres verlassen müssen, da der Wirth selber hineinziehen will. Wir werden die hübschen Räume u. die schöne Aussicht recht vermissen. ||

Ihr kommt nun wohl in nächster Zeit nach Berlin und hoffentlich zu einem ordentlichen, dauernden Besuch, von dem wir auch etwas haben. Wenn es nur dann bei uns etwas besser geht! –

Neulich erhielt ich über Kreuzband von Max Graf Henckel aus Breslau den Büttnerschen Aufsatz aus der National Zeitung; ich hebe das Exemplar für Dein Kommen auf. – Einen andern Aufsatz im „Magazin der Literatur des Auslandes“‒: Trendelenburg über Darwinismus (in No 19 v. 13/5 71). möchte ich Dir empfehlen, derselbe entspricht meinen Anschauungen und enthält einen Auszug aus der neusten Ausgabe von Trendelenburg‘s logischen Untersuchungen Bd. II, S. 79 ff. –

Die Alten hoffe ich heut oder morgen wieder zu sehen.

Mit herzlichem Gruße

Dein

Karl. ||

P.S.

Die Harztour war sehr nett u. hat mich recht erquickt. Mündlich Näheres. Morgen sind die schönen Ferien zu Ende u. es geht wieder ins volle Joch.

a eingef.: allein; b gestr.: schriftliche; eingef.: mündliche

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
31.08.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 35028
ID
35028