Haeckel, Karl

Karl Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 16. Mai 1856

Berlin 16. Mai 1856

Lieber Junge!

Wie Du aus Mutters Brief erfährst, hält sich die Freienwalder Häckelei seit vorigen Sonnabend in Berlin auf. Wir haben das Fest hier zusammen erlebt und denken; ich morgen Nachmittag, Mimmi mit den Kindern acht Tage später nach Freienwalde zurückzukehren. Bis auf einige Erkältung ist alles leidlich munter. Deiner wird viel gedacht und bedauert, daß Du diese Pfingsten an Würzburg gebunden warst. Die Heidelberger Vettern sind, jeder in ein andres Korps, eingetreten und konnten daher, wie Du Dir leicht denken kannst, als gehorsame Füchse keine andern Reisepläne verfolgen als die der Herren Korpsbrüder. So wirst Du denn wohl in diesen Festtagen mit Deinen Präparaten und Deinen nächsten Freunden allein dagesessen a sein. Hier war das Wetter dem ausfliegenden Publikum im Ganzen recht günstig. Die Luft war warm und einige Regenschauer nicht so arg, um die Festfreude allzu sehr zu trüben. Wir waren vorgestern Nachmittag mit || den Kindern im zoologischen Garten und freuten uns recht über Karlchen, der in seinen vergleichenden Bemerkungen, „wie in dein Bilderbuch, wie dein Bär.“ u.s.w. sehr komisch war. Er ist hier aller Liebling durch sein drolliges einnehmendes Wesen geworden.

Bei uns in Freienwalde geht alles den gewohnten Gang. Nächstens werden wohl einige Referendarien hinkommen und man dann noch mehr Zeit zu Privatarbeiten haben, wonach ich mich recht sehne.

Daß Du das erste Unangenehme Deiner jetzigen Stellung überwunden, ist ja recht erfreulich. Harre nur mit frischem Muthe dies Semester aus. Es würde seine Früchte tragen. Aber übernimm Dich nicht durch zu vieles Zimmerhocken.

Mimmi läßt herzlich grüßen, und Dein

treuer Bruder Karl.

NB. Esmarch schrieb mir neulich. Er läßt Dich herzlich grüßen und Dir sagen, seinem Collegen Heschl (der etwas Grobian, aber sonst ein guter Kerl sei) thue seine Ungezogenheit gegen Dich leid und er wünsche manches in seinem Artikel ungeschrieben! –b

a gestr.: haben;b gestr.: C. läßt.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.05.1856
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 34941
ID
34941