Ernst Haeckel an Sven Ludvig Lovén, Jena, 12. Juni 1869
Jena 12 Juni 1869.
Hochverehrter Herr College!
Entschuldigen Sie, wenn ich Sie mit einer Bitte belästige, durch deren Erfüllung Sie mich sehr verbinden würden. Ich bin seit längerer Zeit mit Untersuchung der Kalkschwämme, einer sehr interessanten kleinen Thiergruppe beschäftigt, und will in Kurzem eine Monographie derselben veröffentlichen. Um diese möglichst vollständig zu machen, wäre es mir sehr erwünscht, ausser meinem eigenen reichen Material (das ich im Mittelmeer und auf den canarischen Inseln gesammelt habe) möglichst viel Material aus verschiedenen Museen zu vergleichen. Es ist dies um so wünschenswerther, da oft sehr ähnliche Formen von Calcispongien (z. B. aus den Genera Sycon, Grantia, Leucosolenia, Nardoa) bei sehr ähnlicher äusserer Körperform sehr bedeutende Unterschiede im feineren Bau der inneren Körpertheile darbieten. ||
Nun scheint aber diese kleine Schwamm-Gruppe (wie ich aus dem mir vorliegenden Material von England und Norwegen sehe) ganz vorzugsweise im hohen Norden entwickelt zu sein, und ich vermuthe daher, dass Ihr zoologisches Museum in Stockholm eine verhältnismässig reiche Sammlung davon besitzen wird. Ich erlaube mir nun an Sie die ergebenste Bitte zu richten, ob Sie mir nicht diese Kalkschwämme zur vergleichenden Durchsicht und Bestimmung übersenden wollten. Sie sollen dieselben sämmtlich unversehrt wiedererhalten, und dazu noch mediterrane und atlantische Formen meiner eigenen Sammlung. Da die sämmtlichen Calcispongien kleine Thiere und nur wenige Arten sind, würde ich Sie bitten, mir dieselben in einem kleinen Kästchen per Post zu senden, unfrankirt, unter der Adresse: „An das zoologische Institut zu Jena“. Alles, was Sie mir senden, wird mir sehr willkommen sein. ||
Ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen als geringes Zeichen meiner vorzüglichen Hochachtung beifolgend einen kleinen Aufsatz über „Arbeitstheilung“, sowie ein paar Tafeln aus meiner Monographie der Moneren (in der Jenaischen Zeitschrift für Medicin und Naturwissenschaft 1868) zu senden, von welchen letzteren ich leider keinen Text, Abdruck mehr habe.
Ferner möchte ich Sie freundlichst bitten, mir Ihre Photographie zu senden, welche mir in meiner Sammlung von Photographieen berühmter Naturforscher noch fehlt.
Zu Gegendiensten stets bereit, in vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel.
N. B. Falls Sie meine Bitte erfüllen können, würde ich bitten, mir alle Ihnen zu Gebote stehenden Individuen von Kalkschwämmen, trockene sowohl in als in Weingeist, zu senden.