Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Harald Krabbe, Jena, 12. November 1871

Jena, 12. November 1871

Liebster Freund!

Zürne mir nicht, wenn ich dir erst jetzt auf deinen lieben Brief antworte und nachträglich die herzlichsten Glückwünsche zu deiner glücklichen Verheirathung sende. Ich war aber in den letzten Monaten so furchtbar in Anspruch genommen, dass meine ganze Correspondenz in Stocken gerieth. Die Herausgabe meines grossen Spongien-Buches (2 Bände Text und ein Atlas mit 60 Tafeln) absorbirt den grössten Theil meiner Zeit, und ich bin deshalb die ganzen Herbstferien zu Hause geblieben. Ausserdem habe ich jetzt sehr viel Decernats-Geschäfte, besorge die III. Auflage meiner Schöpfungsgeschichte, habe viele Vorlesungen und eine Masse Schreibereien. Am 1. Oktober starb plötzlich mein lieber guter Vater, fast 90 Jahre alt. 14 Tage vorher hatte ich ihn noch mit einer Familie besucht und sehr munter gefunden. Sein Tod war rasch, sanft und schmerzlos, so dass wir bei dem hohen Alter nur dankbar sein können. Meine arme Mutter zieht jetzt zu meinem Bruder nach Potsdam.

Dass ich im Januar ein kleines, munteres Mädchen, Elisabeth genannt, bekommen, habe ich dir wohl schon geschrieben. Mein Junge, Walter, ist jetzt 3 Jahre alt, sehr munter und nett. Meine Frau war in Folge der letzten Entbindung lange recht krank, hat sich jetzt aber wieder ganz erholt.

Dass du so glücklich verheirathet bist und dass auch deine äussere Lage sich verbessert hat, freut mich sehr und ich wünsche von ganzem Herzen, dass dein Glück immer noch zunehmen möge. Du bekommst jedenfalls noch ein Hochzeits-Geschenk von mir. Sehr lieb wäre es mir, wenn du mir andeutetest, womit ich etwa deiner lieben Frau eine Freude machen könnte. Empfiehl mich ihr inzwischen bestens, ebenso wie deiner || lieben Mutter.

Letzte Osterferien (März und April) habe ich in Begleitung zweier Studenten eine sehr hübsche Reise nach Dalmatien und Montenegro gemacht, hauptsächlich um Schwämme zu sammeln. Drei Wochen lebte ich in einem Franciscaner-Kloster auf der reizenden Insel Lesina.

An Steenstrup, Reinhardt, Panum etc. bitte ich freundliche Grüsse zu bestellen.

Für dein freundliches Anerbieten, mir Carpenter'schen Tiefsee-Schlamm von der Far-Oer zu schicken, danke ich bestens; ich habe schon von dort erhalten.

In alter Freundschaft mit den herzlichsten Grüssen und Glückwünschen

dein treuer Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
12.11.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33119