Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Harald Krabbe, Jena, 25. November 1869

Jena, 25. November 1869

Mein lieber Krabbe!

Endlich, endlich komme ich dazu, dir zu schreiben. Halte mich nicht für undankbar, dass es so spät geschieht. Aber ich hatte seit meiner Rückkehr aus Norwegen so unbändig viel Arbeit, dass ich kaum zur Besinnung kam. In den letzten Wochen habe ich die neue Einrichtung meines zoologischen Instituts und Museums vollendet, und beim Ordnen der Würmer nachträglich noch 2 Dutzend Vogel – Taenien entdeckt, die du hoffentlich brauchen kannst. Was du nicht brauchst, bitte, schicke mir zurück. Ich habe heute morgen das Kistchen mit diesen Präparaten (aus der Bremser’schen Sammlung) per Post an dich abgesandt und du wirst es also in diesen Tagen erhalten. Auch den Parasiten (Cysticerus?) aus der Haut von Hypoodon habe ich beigepackt, ferner die versprochenen Bücher: Allmers: Römische Schlendertage; Fritz Müller, Für Darwin und meine Schöpfungsgeschichte. Letztere ist gänzlich vergriffen, so dass ich dir leider nur das letzte, etwas am Titel lädirte Exemplar dieser I. Auflage, und ohne die Tafeln schicken kann, welche später nachfolgen sollen. Einliegend erhältst du auch von Gegenbaur seine Skizze von der in Tiedemannia beobachteten Taenien-Amme. Präparate besitzt er leider nicht, Ich habe auch ein paar Broschüren für Steenstrup beigepackt, welche du wohl die Güte hast, ihm au bringen, nebst dem einliegenden Briefe. Ich habe ihn darin um die Uebersendung der Kalkschwämme des Kopenhagener Museums gebeten, welche er mir bei seiner Anwesenheit versprochen hatte. Was du von unsern Taenia nicht brauchst, kann vielleicht gleich mit zu diesen Kalkschwämmen gepackt werden. Was du aber brauchen kannst, benutze nach Belieben. Seit unserm Zusammensein in Kopenhagen, welches mir noch in freundlichster Erinnerung ist, habe ich viel erlebt. Die Ueberfahrt nach Christiania war den ersten Tag schlecht, den zweiten || gut. Mit Sars, der nun leider auch todt ist, verlebte ich sehr angenehme Stunden, ebenso mit deinem Freunde Sophus Bugge, dem ich für gute Reise-Rathschläge sehr dankbar bin. Von Christiania ging ich zu Land über Drammen, Hoenefoss, Ringerike (Kongs Udsicht) nach dem Randsfjord, dann durch Valders (per Skyds, sehr amüsantes Fahren!) über Tune, Nystnen, Fille-Fjeld nach Laerdalsoenen am Sogne-Fjord; von hier einen Abstecher nach Lysten (nördlichster Punkt des Sogne-Fjords). Dann über den Sogne-Fjord nach Gudvangen, durch die herrliche Stalheim-Kleft nach Vosswangen, von hier nach Eyde am Hardanger-Fjord, hinüber nach Utne, Odde, dann per Dampfer nach Bergen. Hier fischte ich, theils in der näheren Umgebung von Bergen, theils auf der Insel Gisoe (Brandesund), 5 Meilen s. w. von Bergen, 3 Wochen lang, vorzüglich mit dem Schleppnetz und machte eine hübsche Sammlung von nordischen Seethieren, vorzüglich Echinodermen. Die ersehnten Kalkschwämme fand ich nach langem vergeblichem Suchen endlich in grossen Mengen bei Brandesund, in sehr merkwürdigen Formen, so dass ich sehr zufrieden war und reiches Material für meine Monographie der Calcispongien sammeln konnte. Nach fünfwöchentlichem Aufenthalt in Norwegen ging ich Mitte September direct von Bergen nach Hamburg zurück, hätte aber beinahe durch den furchtbaren Sturm am 12. Sept. Schiffbruch gelitten, und zwar zwischen Christiansund und Hamburg, wo auch Joh. Mueller vor 14 Jahren Schiffbruch erlitten hatte. Doch bin ich noch glücklich mit meinen Sammlungen heimgekommen. Meine Lieben fand ich wohl. –

Die beiden Schwämme aus deinem Museum folgen anbei zurück. Beides sind Kieselschwämme, die ich nicht näher habe bestimmen können. –

Deiner lieben Mutter geht es hoffentlich recht gut. Grüsse sie herzlichst von mir und danke ihr vielmals für die Güte und Gastfreundschaft, mit der sie mich aufgenommen hat. Auch du selbst, liebster Freund, habe nochmals tausend Dank für alle Güte und Freundschaft: die || drei Tage in Kopenhagen waren wirklich ganz reizend und stehen mir noch in angenehmster Erinnerung. Hoffentlich sehe ich dich im nächsten Jahre in Jena. Inzwischen nochmals den herzlichsten Dank und Gruss

von deinem treuen

Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
25.11.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33118