Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Harald Krabbe, Jena, 3. August 1865

Jena, 3.August 1865

Mein lieber Krabbe!

Mein lange gehegter Wunsch, dich in Kopenhagen zu besuchen, ist jetzt vielleicht seiner Ausführung nahe. Ich hatte diesen Herbst nach Dalmatien reisen wollen, muss aber jetzt diesen Plan wegen der Cholera aufgeben. Nun will ich nach Norden, weiss aber noch nicht, wohin. Ich reiste sehr gerne nach Island, möchte dich aber bitten, mir in aller Kürze, ehe ich mir bei dir in Kopenhagen nähere Instructionen hole, folgende wichtigste Fragen zu beantworten:

1.)Wie oft geht ein Dampfer nach Island? Wie viel kostet die Fahrt ? Wie lange fährt man? Geht es ganz direct ?

2.)Kann man in Reikiavik oder in einem andern Orte Islands 6–7 Wochen lang existiren, mit der nöthigen Bequemlichkeit, um mikroskopische Untersuchungen anstellen zu können?

3.)Hast du viele Medusen und Ctenophoren, sowie Hydroidpolypen dort gesehen? Mit diesen will ich mich speciell beschäftigen. Sind Fischerboote dort leicht zu haben, oder billig zu vermiethen ?

4.)Ist das Leben dort theuer ? Wie viel braucht man täglich bei bescheidenen Ansprüchen?

Ich würde die Reise nur für den Fall machen, dass ich Aussicht hätte, dort Untersuchungen anstellen zu können, und dass es auch nicht zu theuer ist. Ich will bereits nächsten Donnerstag, 10. August, von hier abreisen und möchte dich daher dringend bitten, mir die vorhergehenden Praeliminarfragen schleunigst und ganz kurz zu beantworten, ehe ich weitere Schritte thue.

Sollte mich dein Brief hier nicht mehr erreichen können, so würde ich dich bitten, mir nach Hamburg (Adr. Dr. Moebius, Lehrer am Gymnasium) zu schreiben, da ich jedenfalls zuerst nach Hamburg gehen || und dort einige Tage bleiben werde.

Wenn ich nicht genug Geld bekomme, wird sich meine ganze Ferienreise wahrscheinlich auf Helgoland beschränken. In meinem Museum habe ich eine Anzahl nicht bestimmter kleiner Bandwürmer aus der Bremerschen Sammlung. Falls du dieselben brauchen kannst, würde ich dir dieselben mitbringen, resp. zuschicken. Bei den weissen steht aber leider nicht dabei, aus welchem Thiere sie sind.

Ich bin seit einem Vierteljahr hier jetzt Ordinarius der Zoologie, nachdem ich einen Ruf als solcher nach Würzburg abgelehnt hatte. Meine Existenz ist sehr einsam. Ich arbeite viel.

Näheres hoffentlich mündlich. Falls du selbst eine Reise machst, oder machen willst im August, lass dich ja nicht durch meinen projectirten Besuch abhalten, da er doch noch nicht sicher ist.

Herzlichsten Gruss

dein Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
03.08.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33112