Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Harald Krabbe, Jena, 13. Mai 1870

Jena, 13. Mai 1870

Mein lieber Krabbe!

Vielen Dank für deinen lieben Brief. Es freut mich sehr, dass dir meine „Schöpfungsgeschichte“ gefallen hat!

Ich schreibe dir heute in einer Cestoden-Sache, die dich sehr interessiren wird. Einer meiner Schüler, stud. Meyer fand bei Zergliederung von Hausmäusen in drei Exemplaren eingekapselte Bandwürmer in der Leber! (Im ersten Individuum 1 Cyste, in den beiden andern je 2). Die Cysten waren 6–8 Mm im Durchmesser. Die Bandwürmer lagen darin zusammengewickelt, ganz frei. Jeder Bandwurm war 80–100 Mm lang und bestand aus einigen hundert Proglottiden; die letzte Proglottis bildete eine kleine Cyste mit heller Flüssigkeit erfüllt.

Ich schicke dir beifolgend in dem angeklebten Papierchen ein Präparat von einem der Köpfe. Du kannst es behalten. Ich bitte mir aber zu sagen, ob du es für die Taenia crassicollis oder eine andere Species hältst. Das Praeparat von Taenia crassicollis, was du mir schenktest, scheint etwas verschieden zu sein. Bitte theile mir ferner mit, ob irgend ein ähnlicher Fall in der Literatur beschrieben ist; ich habe Nichts finden können. Was meinst du überhaupt dazu? Mir scheint der Fall in vieler Hinsicht sehr interessant. Stud. Meyer wird ihn in dem nächsten Hefte unserer Zeitschrift beschreiben. Geschlechtsorgane waren in keinem Proglottis zu sehen. Die Breite der Proglottis beträgt vorn 4, hinten 2–3 Mm. Das vordere Ende war vorn kolbig angeschwollen und contrahirte sich dergestalt, dass der Kopf glatt herzförmig erschien, der Hakenkranz eingezogen.

Hoffentlich geht es dir gut. Grüsse deine liebe Mutter bestens.

Wie immer dein alter Haeckel.

An Steenstrup, Reinhardt etc. gelegentlich freundliche Grüsse.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
13.05.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33102