Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Arnold Lang, Jena, 18. Oktober 1891

Jena 18. Octob. 1891.

Lieber Freund und threuester „Ritter Professor Nr. I“!

In diesen Tagen gedachte ich in Zürich bei Ihnen einzutreffen und ein paar vergnügte, mit freundschaftlichem Gedanken-Austausch gr. würzte Tage bei Ihnen zu verleben! Das grausam und unerbittliche Fatum, welches mir in diesem Jahre viele Querstriche macht, hatte es aber anders beschlossen. Heute vor 8 Tagen in Luzern erhielt ich die Nachricht, daß ich unmittelbar nach Frankfurt zu einem Familien-Rendez-Vous kommen müßte; außerdem sei auch meine baldigste Rückkehr nach Jena höchst wünschenswerth! So mußte ich denn abermals die Schweiz verlassen, ohne Sie begrüßt zu haben! Am 13. Oct., an welchem Tage Sie nach Zürich zurückkehren wollten, war ich bereits in Frankfurt. Nun hoffe ich sehr, im nächsten Frühjahr das Versäumte nachholen zu können ! –

Meine Ferien-Pläne sind diesmal überhaupt gänzlich zu Wasser geworden. Anfang August wollte ich nach Edinburgh gehen und nach der Westküste Schottlands. Murray wollte mit mir von dort eine Expedition nach den Hebriden und dem Golf-Strom machen, um die Plankton-Studien zu fördern. Zwei Tage vor meiner Abreise bekam ich plötzlich einen Anfall meines alten rheumatischen Fußleidens, und zwar an beiden Füßen erst Achilles-Sehne links, dann Sprunggelenk rechts! Den ganzen August mußte ich in Jena auf dem Sopha liegen. Am 1. Sept. reiste ich nach Baden-Baden, wo ich eine 4wöchentl. Trink-und Bade-Cur mit gutem Erfolge gebraucht habe. Am 28. fuhr ich von Baden direct nach Chiasso, und hatte 10 schöne Tage am Comer See. Den Sommer über hatte ich ununterbrochen stark gearbeitet, um die vor einem Jahr begonnene Umarbeitung der Anthropogenie vor der schottischen Reise fertig zu bringen. In 4 Monaten mußte ich 60 Druckbogen corrigiren. In einigen Wochen werde ich Ihnen die neue (IV.) Aufl. zuschicken; ich fürchte sehr, daß sie sehr mangelhaft ist! ||

Meiner Familie geht es gut. Meine Frau hat die Folgen der schweren Operation gut überstanden und sich ganz erholt. Wir sind jetzt mit den Vorbereitungen zur Hochzeit unserer Tochter beschäftigt, die wahrscheinlich Ende Decbr stattfinden wird; die Herstellung ihrer Wohnung in Leipzig hat die Hochzeit beträchtlich verzögert.-

Daß Rabl sich mit Frl. M. Virchow verlobt hat, wissen Sie wohl.

Im Referir-Abend gedenken wir Ihrer oft freundlichst! – Semon ist glücklich in Australien angekommen; er denkt in einem Jahre zurückzukehren. – Hoffentlich geht es Ihnen und Ihrer lieben Frau, sowie beiden Töchterchen, recht gut!

Mit herzlichsten Grüßen Ihr treuer

E. Haeckel

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
18.10.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33085