Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Arnold Lang, Jena, 5. April 1898

Jena, den 5. April 1898

Lieber Freund u. Ritter-Professor!

Für Ihre liebenswürdige und sehr verführerische Einladung danke ich Ihnen herzlich! Leider kann ich derselben jetzt nicht folgen, vielleicht später in den Herbst-Ferien. Bis jetzt mußte ich meiner Frau wegen hier bleiben, deren Herz u. Nerven-Leiden Anfang des Jahres sehr beängstigend wurden; erst jetzt, nach einer strengen Cur von Prof. Ziehen (die sehr guten Erfolg hatte) kann sie wieder ausgehen. Vom 12–24.4. muß ich nach Berlin u. Leipzig, wegen Familien-Angelegenheiten.

Kükenthal brachte mir heute morgen Ihre mündlichen Grüße und bestätigte mir Ihr erfreuliches Wohlbefinden. Ich hoffe, daß er Chun’s Stelle in Breslau bekömmt, er hat jedenfalls mehr Ansprüche darauf, als seine Concurrenten. An Römer’s Stelle tritt Leo Schultze.

– Falls Sie Gelegenheit haben, in Z. auf Dr. Th. Schäppi einzuwirken, könnten Sie ein gutes Werk thun. Derselbe erhielt 1893 von mir (aus der Ritter-Stiftung) ein Reise-Stipendium für Messina (2000 Mk), und nachher noch ein Stipendium von (1000 Mk) (1894), um hier seine Arbeit über das Nerven-System der Siphonophoren zu vollenden. Die Tafeln dazu sind zum Theil schon fertig. Aber der Text (– der schon damals sehr ansehnlich war! –) hat S. trotz wiederholten Mahnens bis heute noch nicht geschickt. Ich fürchte fast, es wird bald heißen: „ Zu spät“! –

Daß Sie unserer Jena. Zeitschr. in alter Anhängigkeit manche Arbeiten zuwenden, danken wir Ihnen sehr! Freilich können wir nur Deutsch geschriebene Aufsätze aufnehmen. –

An Vielen meiner „lieben Schüler“ erlebe ich wenig Freude. „Driesch, Dreyer, Herbst, Haack etc. – Das Traurigste war aber für mich die Affaire Semon, bei der übrigens Eva Krehl die größere Schuld trägt! – ||

Um so lieber gedenke ich der anderen, wissenschaftlich ausgezeichneten u. dankbaren Schülern, unter denen Sie selbst obenan stehen!

– Meine eigenen Arbeits-Leistungen nahen sich ihrem Ende. Ganglion-Zellen und Augen nehmen ebenso regressiv ab, wie Arbeits-Kraft, Schlaf, Verkehr etc. etc. Das XX. Jahrhundert (– falls ich es noch erlebe! – werde ich in Ruhe lassen!

Mit herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus

Ihr treuer alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
05.04.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33068