Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Arnold Lang, Jena, 26. Oktober 1904

Jena 26.10.1904.

Lieber Freund Lang!

Mein letztes Buch, die „Lebenswunder“, sollte Ihnen schon vor Wochen zugehen. Nun schreibt mir aber der Verleger, daß er mir die Hälfte der von mir dirigirten Dedications-Exemplare habe versenden können. Die erste Aufl. (3000) ist innerhalb 3 Wochen ausverkauft worden. Die zweite erscheint erst im Novbr. Sie u. die anderen Züricher Freunde (Keller u. Ruge) müssen sich also, – wenn Sie das Buch noch nicht bekommen haben sollten – noch einige Wochen gedulden.

Für offenherzige Kritik der Mängel dieser letzten Arbeit werde ich Ihnen sehr dankbar sein! Ich fürchte, daß derer Viele sind (Senectus!) Ich war froh, als ich die letzten Correcturen Mitte Septb. absolvirt hatte und folgte einer dringender Einladung zu dem „Freidenker-Congreß“ in Rom (20. – 22. Septb.). Leider erfüllte dieser nicht meine Erwartungen; er verwandelte sein philosophisches Programm in ein politisches. Da ich für Politik und Soziologie weder Neigung noch Talent habe, flüchtete ich aus Rom schon am 24.9. in die Pontinischen Sümpfe und das wilde Volsker-Gebirge (Terracina, Niufa!, Velletri, Nenis). Hier genoß ich noch, allein in der großartigen römischen Natur, herrliche sonnige Herbsttage und malte 20 Aquarell-Skizzen.

Jetzt beginne ich mich seniliter einzuspinnen und von der „Publicität“ zurückzuziehen. Falls ich noch einige Zeit leben und arbeiten kann, will ich sie den (vielseitig gewünschten –) „Memoiren“ widmen.

Meine Frau(– der es diesen Sommer besser als seit lange ging) grüßt mit mir Sie und Ihre liebe Familie bestens!

Stets Ihr treuer alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
26.10.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33059