Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Arnold Lang, Jena, 22. November 1908

Jena 22. Novbr 1908.

Lieber Freund und unvergeßlicher „Ritter-Professor Nr. I!

Gestern ist endlich (– nach langen Vorberatungen –) die schwierige Frage der Denomination meines Amtsnachfolgers gelöst und vom akademischen Senat der Vorschlag (einstimmig) der Philos. Facultät angenommen worden.

I. Primo loco Arnold Lang, II. Secondo- W. Kükenthal, III. Tertio- L. Plate.

Natürlich kann ich nicht erwarten, daß Sie vom Pferd auf den Esel steigen und Ihre glänzende Stellung in Zürich mit der dürftigen Position (nicht halb so gut ausgestatteten) in Jena vertauschen werden; diese Zumutung würde eine retrograde Metamorphose bedeuten! Aber es freut mich doch sehr, daß Facultät und Senat einstimmig Ihre hervorragende Bedeutung anerkannt und Sie für meinen besten und geeignetsten Nachfolger anerkannt haben!

Da von Kükenthal eben so wenig als von Ihnen zu erwarten ist, daß Sie die Berufung hierher annehmen würden- und da die Zeit drängt wird die Regierung sich vielleicht direct an Plate wenden, von dem die Annahme zu erwarten ist; seine Berliner Doppelstellung hat viele Schattenseiten. Als Organisator des neuen Phyletischen Museums scheint er besonders geeignet zu sein.

Nächst Plate wurde gerade für diese wichtige Aufgabe Franz Doflein in München besonders empfohlen. Die Facultät hat aber von seinem Vorschlage (– da er jünger und noch nicht Ordinarius ist –) mit Rücksicht auf Ziegler abgesehen. Letzterer leitet zwar das große Practicum im Zoolog. Laboratorium erfolgreich und vortrefflich, ist auch sehr gründlicher Mikroskopiker und Zell-Physiologe; aber für die neue Einrichtung des Museums und die damit verbundenen Systematischen Aufgaben ungeeignet. Ich selbst trete jedenfalls Ostern 1909 von meinem 48 Jahre innegehaltenen – Lehramte zurück, will jedoch gern noch 2 Jahre zusammen mit meinem Nachfolger an dem schwierigen Übergang von der „alten“ || zur „neuen“ Zoologie und Museologie in Jena mit arbeiten. Für Ihre Mitteilung betreffend das Bild von Herrn Caesar Schöller danke ich bestens. Ich werde ihm morgen schreiben, habe dies schon seit 4 Wochen tun wollen, kam aber nicht dazu wegen Überladung mit dringenden Arbeiten.

Hoffentlich geht es Ihnen und Ihrer lieben Familie recht gut. Wir hatten hier bei der ganz abnormen Witterung (– vor 8 Tagen -12 C.!- dann plötzlich +12) an Catarrhen etc zu leiden.

Mit herzlichen Grüßen Ihr treuer alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
22.11.1908
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
33048