Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 28. Mai 1912
Jena 28.5.12.
Liebster Freund!
Deine gütige Express-Sendung, mit delikaten Früchten aus Franzensbad, ist in bester Verfassung hier angelangt u. hat bei Alt und Jung in der versammelten Familie den lebhaftesten Beifall gefunden! 1000 Dank! Da Meyers jetzt vollzählig auf dem „Landgrafenberg“ hausen, und auch Frau und Tochter von Walter auf 8 Tage zum Pfingstbesuch hier sind, erfreuen wir beiden Alten uns einiger heiterer Familientage. Heute Morgen waren wir Alle zusammen (auch Schwester Röschen inbegriffen!) 2 Stunden im neuen Phyletischen Museum, das heute vor 8 Tagen eröffnet wurde. die neue Einrichtung (persönliches Verdienst von Prof. Plate) findet allgemeinen Beifall und ist wirklich gut. ||
Heute erhielt ich von Herrn J. Riedl („Achaja“) aus Wiesbaden die erfreuliche Kunde, daß er in Deinem Auftrage 1 Kiste mit 36 Flaschen „Maurodaphne“ an mich abgeschickt hat. Besten Dank für diese edle griechische Nektar-Spende! Ich fürchte aber, liebster Freund, daß Du mich auf meine alten Tage allzusehr verwöhnst – oder am Ende gar dem chronischen Alkoholismus zuführst – resp. „Per Spiritum“ in das unbekannte „Jenseits“ befördern willst! – Herr Riedl sandte mir einen Gruß von seiner Frau, Fanny geb. Toolea, die ich vor 35 Jahren in Argostoli (Cephalonia) bei ihren Eltern (Toole war englischer Consul) kennen gelernt hatte. ||
Das Wörterbuch der Biologie, das mein College Ziegler im Auftrage von A. Krupp verfaßt hatte, ist vor 2 Jahren fertig geworden (3 Bände, bei G. Fischer, Jena). Inzwischen hat sein Mitarbeiter, Dr. Heinrich Schmidt (mein Assistent) ein kleineres und bequemeres „Wörterbuch der Biologie“ in einem Bande (600 Seiten) bei Kröner (Leipzig) veröffentlicht. Dies dürfte für ich bequemer sein. Darf ich es Dir nach Glasgow senden? Oder nach Franzensbad?
Frau und Kinder grüßen mit mir Dich und die Deinen herzlichst.
Stets Dein treuer alter
Ernst Haeckel.
P.S. Besonderen Dank noch für die hübschen kleinen Photogramme!
a korr. aus gestr.: Thoole