Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 27. März 1911

Jena 27.3.1911.

Liebster Freund!

Aus beiliegender Mitteilung des Berliner Postamtes 48 an die Buchhandlung Dietrich Reimer ersiehst Du, daß die beiden Bücher-Pakete (– Hans Meyer’s „Hochanden von Ecuador“ –), die ich bei Letzterer für Dich bestellt hatte, am 17. Januar 1908 richtig abgesandt und am 21. von der Englischen Postverwaltung übernommen sind. Also müssen sie entweder unterwegs in England abhanden gekommen oder in Deiner Wohnung verschwunden (verlegt?) worden sein. Beide Bände sind elegant rot gebunden, der Textband gross Octav (26 Centimeter lang, 18 breit, 5 dick, mit 40 Tafeln) der Atlas gr Folio (41 Centimeter lang, 34 breit, 3 dick, mit 41 Tafeln). Ich teile Dir dies blos mit, falls Du eventuell noch zu Hause über den Verbleib des schönen Prachtwerkes Nachforschungen anstellen willst. ||

Hoffentlich ist inzwischen die Bücherkiste, welche ich im Februar dieses Jahres durch Gustav Kräfft (Hamburg) an Dich spediren ließ, wohlbehalten angekommen und hat Dir einige Freude bereitet. Von meinen „Opera Omnia“ habe ich einige Dubletten beigelegt, welche Du nach Belieben an Deine Kinder oder Freunde verteilen kannst – z.B. von dem „Unsere Ahnenreihe“ (Progonotaxis) ein Exemplar an Prof. Graham Kerr in Glasgow, oder die „Philosophical Society“. Die 6 Bände von „Mensch und Erde“ lies ich absichtlich noch nicht in die beigelegten Einbände fassen, weil sie bequemer in Heften zu lesen sind. ||

Meinen schuldigen Dank für Deine liebenswürdigen letzten Sendungen (Caviar und Marmelade) hast Du wohl erhalten; meine erfreute Gastrula gedenkt Deiner täglich!

– Inzwischen habe ich 5 sehr unruhige Wochen verlebt, mit 3 anstrengenden Jubiläen: am 16.2. den 77sten Geburtstag, am 5.3. das Goldene Dozenten-Jubiläum (50 Jahre in Jena), am 7.3. Erinnerung an die Dr. med. Promotion vor 54 Jahren. Über 300 Gratulations-Briefe und Telegramme mußte ich beantworten! Dazu kam noch am 1. März in Leipzig das 50.jährige Stiftungsfest der Geographischen Gesellschaft, wobei mein Schwiegersohn eine Hauptrolle spielte; ein schauderhaftes großes Bild davon findest Du in der Leipziger Illustrirten Zeitung (I. Märzwoche). Das Fest dauerte von 6 Abends bis 2 Morgens, ist mir aber gut bekommen. ||

Meine arme Frau hat leider wieder 6 Wochen zu Bett liegen müssen, mit schweren Herz- und Luftröhren-Leiden. Erst seit einigen Tagen ist sie wieder aufgestanden; es geht langsam besser. Das Wetter war hier den letzten Monat schlecht, mit wenig Sonne, viel Nebel, Regen, Sturm, Schnee.

– Hans Meyer tritt nächstens eine 6monatliche Reise nach Central-Africa an, in geographisch-colonialem Interesse. Lisbeth bringt den April am Mittelmeer zu und trifft Ende April in London mit Hans zusammen, um ihre älteste Tochter Else (jetzt 16 Jahre) nach Ilfracombe in eine Pension zu bringen. –

– Hoffentlich geht es Dir u. Deiner lieben Familie gut! Mit besten Grüssen von Haus zu Haus Dein treuer alter

E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
27.03.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32917
ID
32917