Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 19. Februar 1909

ZOOLOGISCHES INSTITUT

DER UNIVERSITÄT JENA.

Jena 19.2.1909.

Liebster Freund!

Zu der schönen Reise nach Egypten wünsche ich Dir und Schwester Ida von Herzen alles Glück! Ich wollte ich könnte Euch begleiten; ich bin aber für die nächsten Monate hier völlig festgelegt: im März muß ich mein Arbeitszimmer im Zoologischen Institut (25 Jahre bewohnt) an meinen Nachfolger, Prof. Plate, abtreten; und im April mit ihm zusammen den Umzug der halben Sammlung in das Phyletische Museum bewerkstelligen – ein hartes Stück Arbeit! Erst im Mai werde ich aufatmen und Muße finden, mich meiner neuen „Freiheit“ zu erfreuen: „Otium cum dignitate – bene meritum“! ||

Die letzten Wochen waren für mich außerordentlich unruhig und sorgenvoll: 3 Abschieds-Vorlesungen: am 28.1. in der Medizinisch Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, am 10.2. letztes Colleg! am 12.2. letzte öffentliche Vorlesung, im Volkshause, bei der „Darwin-Feier“. Alle 3 verliefen gut – befriedigender Abschluß! –

Am 14.2. reiste ich auf 3 Tage nach Leipzig, um den Feierlichkeiten des 16.2. zu entgehen und meinen 75. Geburtstag bei Lisbeth in aller Stille zu verleben.

Als ich am 18. zurückkehrte, fand ich hier einen hohen Berg von Postsendungen vor, zwischen 700 und 800 Stück (allein 108 Telegramme und 220 Briefe etc.). ||

Für Dein schönes Geschenk sage ich Dir meinen herzlichsten Dank! Die 3 Bände der sehr interessanten „Scottish Antarctic Expedition“ („Scotia“) sind eine sehr wertvolle Bereicherung meiner „Marine-Zoologie-Bibliothek“; und die treffliche Scotch Marmelade wird mich täglich an Deine rührende Fürsorge für meine Gastrula senilis erinnern!

– Meine nächste Arbeit wird nun die innere Einrichtung des Phyletischen Museum sein, in dem namentlich das Archiv sehr schön sein wird; reich an Kunstwerken, die ich mit Hülfe Deiner hochherzigen Beiträge angeschafft habe; Du wirst Dich gewiß darüber freuen! ||

Meine Zeit ist jetzt so besetzt, daß ich keinen Tag von hier abkommen kann, leider also auch Deiner freundlichen Einladung nach Hôtel Adlon nicht folgen kann. Besten Dank dafür!

Schwester Röschen ist jetzt leidlich wohl. Sie sendet mit mir Dir und Schwester Ida herzlichste Grüße und beste Wünsche für die schöne Orient-Reise!

Stets Dein alter treuer

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
19.02.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32902
ID
32902