Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 18. März 1907

Jena 18.3.1907.

Liebster Freund!

Wie Schade, daß Du nicht am 1. – 3. März in Frankfurt sein konntest! Ich habe vom 1. – 9. März eine seltsame „Museums-Inspections-Reise“ gemacht, um in Frankfurt a/M, Darmstadt, Stuttgart, München Erfahrungen für mein „Phyletisches Museum“ zu sammeln; sehr ergebnißreich u. interessant!

Am 2. März Abends gab mir die Senckenbergische Gesellschaft (die in Frankfurt ein großartiges neues Museum für einige Millionen gebaut hat) ein reizendes Fest; sehr Schade, daß Du nicht dabei sein konntest! –

Den goldenen Dr. Jubilaeum Tag (7.3.) verlebte ich stillvergnügt bei Walther in München, wo Alles recht gut aussieht, nette Familie. ||

Am 9.3. fuhr ich nach Jena zurück, wo ich jetzt 14 Tage mit den Bauplänen des Museums zu tun habe; der Bau soll Anfang April beginnen. –

Am 26. oder 27. hoffe ich auf 4 Wochen nach Italien reisen zu können, (Elba? Corsica?), um mich von den starken Strapatzen der letzten Monate zu erholen. Ende April fangen die Vorlesungen an. –

Schwester Röschen hat 4 Wochen an der hier epidemisch herrschenden Influenza gelitten; seit gestern ist sie außer Bett. Winter hier ganz scheußlich, kalt, stürmisch, schneereich. –

Hoffentlich besuchst Du uns bald im Frühjahr! Herzlichste Grüße und wiederholter Dank!

Dein treuer alter E. Haeckel.a

[Druckschrift]

JENA, 12. März 1907.

Aus Anlass meines goldenen Doktor-Jubiläums sind mir am 7. März d. J. überaus zahlreiche Glückwünsche und Beweise freundlicher Teilnahme von nah und fern zugegangen. Da ich zu meinem Bedauern nicht allen einzelnen Gebern und Gönnern persönlich meinen herzlichen Dank abstatten kann, bitte ich dieselben, ihn in diesen Zeilen entgegenzunehmen.

Als ich vor 50 Jahren in Berlin zum Dr. med. promoviert wurde und bald darauf das Medizinische Staatsexamen ablegte, konnte niemand die erstaunlichen Fortschritte ahnen, welche die biologischen Wissenschaften in dem nächstfolgenden halben Jahrhundert machen sollten, vor allem durch den siegreichen Einfluss des natürlichen Entwicklungs-Gedankens. Dass es auch mir vergönnt war, an dessen wissenschaftlicher Begründung und allgemeiner Verbreitung mit meinen besten Kräften mich zu beteiligen, betrachte ich jetzt als den erfreulichsten Teil meiner langen und kampfreichen Lebensarbeit. Den zahlreichen Freunden und Schülern, welche mich dabei wirksam unterstützt haben, gebührt noch mein besonderer Dank.

Da in vielen mir jetzt zugegangenen Zuschriften auch des neuen, im Beginne dieses Jahres begründeten „Phyletischen Museums in Jena“ teilnehmend gedacht wird, füge ich hier noch die Mitteilung an, dass dessen. Bau – in unmittelbarer Nähe des jetzigen Zoologischen Institutes – demnächst be-||ginnen wird und im Laufe dieses Jahres vollendet werden soll. Als eigenartiges „Museum für Entwickelungslehre“ soll dieses „Phylogenetische Institut“ – eine „Phyletische Schausammlung“ – den weitesten Bildungskreisen durch zweckmässige Schaustellung von Naturalien, Bildern und Präparaten die bedeutungsvollen Tatsachen der natürlichen Entwickelung – vor allem der Stammesgeschichte oder Phylogenie – vor Augen führen; diese geben nach meiner Ueberzeugung die sichersten Grundlagen für eine einheitliche, im besten Sinne monistische Weltanschauung. Die vernunftgemässe Religion, die daraus entspringt, beruht auf der harmonischen Verbindung von Kunst und Wissenschaft; ihr soll als Tempel unser Phyletisches Museum in Jena dienen.

ERNST HAECKEL.

[Nachschrift]

Herzlichsten Dank, liebster Bruder Paul, für deine hochherzigen Beiträge zur „Ernst-Haeckel-Stiftung“ die nun größtenteils für das Phyletische Museum verwendet wird:

1000 Mk vor einigen Jahren

1000 Mk jetzt neuerdings!

Weitere Opfer erwarte ich von Dir bestimmt nicht! Dankbarst

Dein E. Haeckel.

a Text weiter auf S. 4: Am 9.3. … alten E. Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
18.03.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32873
ID
32873