Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Jena, 3. Januar 1907

ZOOLOGISCHES INSTITUT

DER UNIVERSITÄT JENA.

Jena 3.1.1907.

Liebster Freund!

Deine liebenswürdigen Weihnachtsgaben – die kostbare Sammlung von köstlichen Ganoiden-Eiern (Accipenser) sowie die edle rote Kirsch-Flüssigkeit (Brohls Cherry-Brandy, 6 Flaschen) die zu deren Conservirung dient, – sind wohlbehalten hier eingetroffen. Herzlichsten Dank dafür, ebenso für Deine lieben Briefe! Ich habe Alles erst am Neujahrs-Morgen in Empfang genommen, da ich erst am Sylvester-Abend spät von meiner Weihnachts-Reise zurück kehrte; diese verlief bei prächtigem Winter Wetter sehr hübsch; seit langem habe ich nicht so prachtvolle Schnee und Eisbildungen zu Weihnacht gesehen. ||

Den Weihnachts-Abend verlebte ich höchst gemütlich bei Meyers in Leipzig, die sehr hoffen, daß Du sie bei nächster Gelegenheit besuchen und ihre erweiterte schöne Villa (Haydn-Str. 20) Dir ordentlich ansehen wirst. Leider konnte Sylvester Röschen, die sich sehr auf diese Reise gefreut hatte (– sie war seit 5 Jahren nicht in Leipzig –) nicht mitkommen, da sie sich wenige Tage vorher einen tüchtigen Catarrh geholt hatte.

Ich fuhr dann von Leipzig nach Magdeburg, wo seit 14 Tagen ein sehr schönes städtisches Museum eröffnet ist, mit einer prächtigen modernen Bilder-Gallerie. Auch die herrlichen Gruson’schen Gewächshäuser (musterhaft gehalten) besuchte ich mit erneutem Genusse. ||

Wenn Du gelegentlich durch Magdeburg kömmst, versäume nicht, einige Stunden dem Besuche dieser schönen Sehenswürdigkeit zu widmen. 2 gute Hôtels (Central u. Continental) sind unmittelbar am Bahnhofe. –

Auch in Berlin u. Potsdam war ich ein paar Tage und traf dort mit Heinrich zusammen, bei seinem jüngeren Bruder Julius (Amtsrichter). –

Daß Prinz Albert I., der Fürst von Monaco, demnächst nach Glasgow kommen und bei Dir wohnen wird, freut mich sehr. Er ist ein ganz hervorragender Naturforscher und sein Musée Océanographique einzig in seiner Art. Als ich im April 1904 mit Freund Murray ihn besuchte, lernte ich ihn auch als sehr liebenswürdigen Gastgeber kennen. Bitte ihn ehrerbietigst von mir zu grüßen. ||

– Jetzt beschäftigen die Neuwahlen für den Reichstag uns sehr lebhaft; wir hoffen, daß die Herrschaft des Centrums endlich gestürzt wird. Das Schlimme ist nur, daß der Kaiser selbst, und ebenso sein Reichskanzler, seit 10 Jahren den Papismus großgezogen haben und daß der elendste aller Preußischen Cultus-Minister, Studt, noch immer am Ruder ist. –

Dir und Deiner lieben Familie wünsche ich für das neue Jahr von Herzen alles Gute; Schwester röschen schließt sich meinen Wünschen an und sendet mit mir beste Grüße!

Hoffentlich bringt uns dieses Jahr ein baldiges und recht fröhliches Wiedersehen! Stets Dein treuer alter

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
03.01.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 32871
ID
32871