Ernst Haeckel an Paul von Rottenburg, Basel, 16. Oktober 1901
HOTEL DES TROIS ROIS À BÂLE, LE 16.10.01.
Liebster Freund!
Bei der Hochzeit von Walter, die in München am 8.10. sehr vergnügt (wenn auch in sehr bescheidener Form, mit 15 Personen Alles zusammen!) verlief, haben wir Deiner dankbarst gedacht. Besonders sage ich Dir noch unseren herzlichsten Dank für das schöne Silber-Geschenk, mit dem Du das junge Paar erfreut hast. Leider mußte meine arme Frau, die sich auf die Theilnahme am Feste in München besonders gefreut hatte, noch in der letzten Stunde verzichten, da sie wenige Tage zuvor wieder einen Anfall ihres alten Herzleidens bekam. ||
Ich habe die beiden Ferien Monate (August, September) nur zur Arbeit benutzt (46 Kisten Sammlungen!) u. das kleine Buch „Insulinde“ (260 S., 80. Illustrationen) fertig gemacht, sowie das VI. Hefte der „Kunstformen“. Beides erhältst Du in wenigen Wochen. –
Am 6.10. fuhr ich mit Hans u. Lisi nach München u. habe dort 10 sehr hübsche Tage verlebt (– mit den 3 Malern: Lenbach, Max, Stuck –) und den 3 Naturforschern: Semon, Goebel, Giesenhagen, alle 3 in Java gewesen). Von meinen 160 Aquarell-Skizzen hatte ich 70 mitgenommen; sie fanden viel Beifall. Auch mein Exterieur wurde gelobt; ich habe mich von den Strapatzen der Tropenreise ganz erholt. ||
Ich gedachte in München mit Vergnügen unseres dortigen Zusammenseins vor 2 Jahren, auf dem Starnberger See etc.
Gestern bin ich von München hierher nach Basel gereist, einer Einladung meines zweiten P. R. = Gönners (Dr. Paul von Ritter) folgend.
Übermorgen reise ich nach Sonthofen, um einige Tage bei dem glücklichen jungen Ehepaar zu bleiben. Am 22. u. 23. October bin ich wieder in München, wo ich diesmal bei Professor Svoboda wohne (Kaulbachstr. 94). Am 24. zurück nach Jena. Falls Du wieder in unsere Nähe kommst, versäume nicht den versprochenen Besuch!
Mit herzlichsten Grüßen (auch an Deine liebe Familie) Dein treuer alter
Ernst Haeckel.