Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Pieter Harting, Jena, 4. Juli 1869

Jena 4 Juli 69

Hochverehrter Herr College!

Für Ihren gütigen Brief und die freundlichst übersandte Photographie sage ich Ihnen meinen besten Dank. Es war mir sehr erfreulich, so gute Auskunft von einem berühmten Gelehrten zu empfangen, dessen wissenschaftliche Verdienste so sehr zu schätzen sind.

Ihr gütiges Anerbieten in Betreff der Kalkschwämme nehme ich mit bestem Danke an; Sie werden mich sehr verpflichten, wenn Sie bei Ihrer bevorstehenden Reise an das Meer, die Güte haben wollen, gelegentlich Kalkschwämme für mich zu sammeln. Da ich dergleichen von französischen Küsten noch gar nicht besitze, so wird mir Alles von Ihnen Gesammelte || sehr werthvoll sein. Ich vermutete, dass an der französischen Küste der Manche vorzüglich vorkommen werden folgende Formen: Sycon, Ute, Leucosolenia, Grantia, Nardoa. Vorzüglich würde ich Sie bitten, auf die letzteren zu achten. Meistens sind es sehr kleine Species, und an ihrer weissen Farbe leicht kenntlich. Die Variabilität der Calcispongien ist unglaublich gross; Viele Formen von Sycon und Ute, welche äusserlich nicht zu unterscheiden sind, haben innerlich einen ganz verschiedenen Bau.

Ich möchte mir daher die ergebenste Bitte erlauben, mir in starkem Esprit de Vin alle Kalkschwämme zu sammeln, welche Sie gelegentlich finden, möglichst viele verschiedene Individuen und Alters-Stufen. ||

In drei Wochen (Ende Juli) gehe ich nach Norwegen, wo ich 1–2 Monate lebende Kalkschwämme untersuchen will. Im Winter werde ich dann als besonderes Werk eine ausführliche Monographie der Kalkschwämme herausgeben, zu welcher ich jetzt auch erst schönes Material von Edinburgh und Hamburg bekommen habe. Eine vorläufige Mittheilung über die bis jetzt erlangten Resultate werde ich mir erlauben, Ihnen in Kurzem zuzuschicken.

Was Sie von Kalkschwämmen etwa für mich sammeln können, möchte ich Sie bitten mir im September oder October zu schicken: unter der Adresse: An das zoologische Institut der Universität Jena.

Ich sage Ihnen für Ihre Güte schon im Voraus meinen besten Dank. || Da die Kalkschwämme besonders reich im hohen Norden wachsen, hat vielleicht auch M.Gaimard deren mit nach Paris gebracht?

Sollte es möglich sein, im Muséum du Jardin des Plantes den merkwürdig von Quoy und Gaimard gesammelten Kalkschwamm zu finden, welchen Blainville in seiner Actinologie (p.529, Pl.92, Fig.5) als Alcyonellum gelatinosum beschrieben hat?

Mein Freund Gegenbaur grüsst Sie bestens. Er würde Ihnen schon lange geschrieben haben. Aber leider ist er selbst krank, und seine (zweite) Frau liegt seit 2 Monaten zum Tode krank.

Mit wiederholtem Danke und mit der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung bleibe ich, hochverehrter Herr College,

Ihr ganz ergebener

Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.07.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
32238