Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Franziska Louise Böhm, Jena, 7. Mai 1885 [Briefabschrift]

Jena, 7. Mai 1885

Hochverehrte Frau!

Mit der schmerzlichsten Ueberraschung erfuhr ich durch die Zeitung den Tod Ihres geliebten, hoffnungsvollen Sohnes, und zwar schon vor Eintreffen Ihrer gütigen Zeilen voll der aufrichtigsten Teilnahme Ihres tiefen Schmerzes. Sie arme bedauernswerthe Mutter, wie Viel haben Sie durch diesen unersetzlichen Verlust an Freude und Hoffnung eingebüsst! So lange Ihr lieber Sohn hier als treuer Schüler bei mir weilte und arbeitete, hatte ich an seinen ausgezeichneten Talenten, seinem reinem Character, seiner begeisterten Hingabe an die Wissenschaft die grösste Freude; um so mehr, als wir dieselben Lieblings-Neigungen (Medusen- und Landschaftsmalerei) theilten; ich hoffte von seinem grossen Unternehmen die schönsten Resultate!

Nun sind alle diese schönen Hoffnungen dahin! Es bleibt uns nur der Trost, der in der allgemeinen Betrachtung dieses leidvollen Weltlaufs und in der Ergebung in die eiserne Nothwendigkeit liegt. Aber sein Andenkena soll nicht vergessen sein, und sicher wird auch der Name Ihres Sohnes in der grossen Reihe muthiger Naturforscher, die für die Erforschung Africas ihr Leben wagten, unsterblich fortleben! Ich selbst werde sein Andenken in der Medusenkunde verewigen, indem ich eine der schönsten neuen, von mir entdeckten Medusen nach ihm benenne, und werde ihm zugleich einen warmen Nachruf zusenden.

Indem ich Sie nochmals meiner innigsten Theilnahme versichere, und Ihnen im Geist die Hand drücke, bleibe ich

mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebenster

Ernst Haeckel.

a egh. korr. aus: Andeken

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
07.05.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Berlin
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
31942