Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Albert Niess, Jena, 27. Dezember 1878

Jena, 27 December 78

Lieber Freund Niess!

Nach dem schweren und unersetzlichen Verlust, den Sie in diesem Jahre durch den Tod Ihrer lieben Frau erlitten, wird Ihnen das Weihnachtsfest diesmal recht traurig und schmerzlich gewesen sein. Um so mehr hat es mich gerührt, daß Sie trotzdem an uns gedacht und uns mit 2 Weihnachtssendungen überrascht haben. Ich bitte Sie aber wirklich dringend, lieber Freund, künftig solche Geschenke zu unterlassen, die in mir immer ein beschämendes Gefühl hervorrufen. || Wenn uns auch Ihre ausgezeichneten Braunschweiger Pfefferkuchen und Würste vortrefflich schmecken, so sind wir doch nicht in der Lage, Ihnen eine entsprechende Gegengabe schicken zu können und bei diesen schlechten Zeiten sollten Sie jede überflüssige Ausgabe meiden!

Sehr gefreut habe ich mich über Ihre sehr gelungene Dichtung „der Sonnenquell“, welche auch meiner Frau sehr gefallen hat. Wir danken Ihnen Beide herzlichst dafür! || Ich würde Ihnen schon früher meinen Dank ausgesprochen haben, wenn ich nicht in der Zeit vor dem Feste mit dringendsten Arbeiten wahrhaft überladen, dann aber durch eine starke Erkältung geplagt gewesen wäre, die mich auch heute noch an das Zimmer fesselt. Vorher war meine Frau wieder krank, so daß auch uns das Fest etwas getrübt wurde. Unser rauhes Clima bringt viele catarrhalische Leiden mit sich, denen auch alle 3 Kinder von Zeit zu Zeit unterworfen sind. Wir haben darüber oft rechte Sorge! ||

Wir sprechen oft von Ihnen mit herzlichem Bedauern, und möchten wissen, wie Sie sich in Ihrer traurigen Lage häuslich eingerichtet haben und zurechtfinden. Wie ich Ihnen schon in meinem letzten Briefe schrieb, weiß ich ja aus eigener Erfahrung, wie schwer und schmerzlich die neue Haus Einrichtung nach einem solchen Schiffbruche des häuslichen Glücks ist!

Hoffentlich gedeihen Ihre Kinder und machen Ihnen rechte Freude! Für das kommende Jahr wünsche ich Ihnen von Herzen das Allerbeste! Möge der langsam heilende Einfluß der Zeit auch Sie trösten! Meine Frau theilt meine Grüße u. Wünsche! Stets Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.12.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Stadtarchiv Braunschweig
Signatur
G IX 8: 11
ID
31920