Ernst Haeckel an Herman George Scheffauer, Jena, 2. November 1905
Jena, 2.11.1905
Lieber Herr Scheffauer!
Für Ihren freundlichen Brief, Ihre gute Erinnerung an den Besuch in Jena, und die hübschen Photogramme, die Sie damals (Oktober 1904) hier anfertigten, sage ich Ihnen meinen besten Dank; – ebenso für Ihre Absicht, meine Person und meine Lebens-Arbeit Ihren Landsleuten durch einen Artikel im „Success“ näher vorzuführen. Das nötige Material dazu finden Sie leicht in einem der beiden deutschen „Lebensbilder“ von E. H., –
I von W. Bölsche (bei Seemann, Berlin)
II von W. Breitenbach (Brackwede bei Bielefeld.) Von beiden Biographien sind 1904 neue Auflagen erschienen.
Vor kurzem habe ich sowohl diese Biographien, als auch diverse Photogramme, Ansichten von Jena und anderes Material an den Englischen Uebersetzer meiner Werke geschickt, welcher ein Englisches Buch über mein Leben und meine Arbeit (mit vielen Illustrationen) geschrieben hat. Mr. Joseph Mc Cabe, London N. W. (16 Elm Grove, Cricklewood). Wenn Sie ihn aufsuchen, werden Sie bei ihm das gesuchte Material finden. Vielleicht ist es aber das Einfachste, wenn Sie die Publication seiner Schrift (im Dezember?) abwarten und sie für Ihren Artikel benutzen.
Ich bin leider jetzt nicht im Stande, Ihnen bezügliches Material zusammen zu suchen, da ich seit mehreren Wochen mit rheumatischem Fieber zu Bett liege. Ich habe leider auch meine Vorlesungen für diesen Winter (– mein 90. ober Semester [!] in Jena) ganz aufgeben müssen, da ich absoluter Ruhe bedarf. Ich war schon im Sommer mehrere Monate durch Gelenk-Rheumatismus am Arbeiten ge-||hindert, und bin jetzt wahrscheinlich am Ende meiner Leistungsfähigkeit! Mit 72 Jahren ist Nichts mehr für Regeneration zu hoffen: Gehirn und Sinne werden senil!
Mein letzter Erfolg waren die 3 Vorträge, die ich im April d. J. in Berlin über den „Kampf um den Entwicklungsgedanken“ gehalten habe (I. Schöpfung, II. Stammbaum, III. Seele.) Falls Sie dieselben noch nicht besitzen, kann ich sie Ihnen senden. (Eine Englische Übersetzung publiziert jetzt Owen London)
Mit freundlichen Grüssen und besten Wünschen
Ihr ergebener
Ernst Haeckel.