Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelmine Hintze, Jena, 18. Dezember 1905

ZOOLOGISCHES INSTITUT

DER UNIVERSITÄT JENA.

Jena 18.12.1905.

Hochverehrte liebe Freundin!

Ihre liebevolle, heute erhaltene Weihnachtssendung hat mich tief gerührt, und ich sage Ihnen dafür aus ganzem Herzen meinen wärmsten Dank! Wieviel Mühe und herzliche Teilnahme haben Sie in die herrliche grüne Wolldecke hinein-„gehäkelt“ – oder besser „gehäckelt“! Sie kommt mir gerade jetzt prächtig zu Statten, wo ich im Beginn des kalten Winters (– und durch die lange Krankheit und den dreimonatlichen Stubenarrest sehr empfindlich) – der Wärme doppelt bedürftig bin. ||

Auch sonst werde ich jetzt durch so viel Liebe und Teilnahme – von Seiten vieler bekannter und unbekannter Anhänger, Schüler, (– Monisten und Monistinnen –) verwöhnt, daß ich mich reichlich für alle die unzähligen widrigen Angriffe entschädigt fühle, welche die frommen „Brüder in Christo“ fortwährend gegen mich schleudern. Fast täglich erhalte ich Blumen (– meine Lieblinge von Jugend an –); auch Ihre Freundin Marie Hübner (Breslau) hat mich durch Cyclamen und Maiglöckchen wiederholt erfreut – und nun wieder Ihre schönen Nelken, deren Duft mein ganzes Zimmer erfüllt! || Ihre prachtvolle Ananas, (meine Lieblingsfrucht in Indien!) hat mir 14 Tage hindurch meine frugalen (– durch die notwendige Diät sehr eingeschränkten –) Malzeiten versüßt; jeden Mittag und Abend habe ich Ihrer dabei dankbarst gedacht! –

Beifolgend sende ich Ihnen ein nettes kleines Lebensbild, durch dessen Zusendung mich gestern Herr Carl Neumann in Kiel (vor 15 Jahren mein Schüler) überrascht hat. Zugleich schicke ich Ihnen mein letztes Photogramm (von Tesch hier im August aufgenommen) meine Freunde finden es sehr gut. ||

Die beigelegte blaue Broschüre von Otto Gramzow habe ich Ihnen wohl schon neulich geschickt? In diesem Falle bitte ich das zweite Exemplar an Dr. Reh zu geben. Sie hat mich deßhalb besonders erfreut, weil es das erste Mal ist, daß ein Philosoph vom Fach meine philosophischen Studien anerkennt (Bitte zu vergleichen S. 480, 497, 503).

– In den letzten 14 Tagen geht es mir zunehmend besser. Ich schlafe besser, bin täglich 8 Stunden außer Bette, und hoffe sogar, nach Neujahr wieder in das schmerzlich entbehrte Zoologische Institut hinüber zu können.

Mit herzlichsten Glückwünschen für Weihnachten und Neujahr, und mit wiederholtem wärmsten Danke

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

[beigefügt: Mitgliedskarte Deutscher Monistenbund]

DEUTSCHER MONISTENBUND

MITGLIEDS-KARTE

Frau Wilhelmine Hintze in Hamburg

AUF DAS JAHR 1906.

No 23

DER GENERALSEKRETÄR

DR. HEINRICH SCHMIDT

JENA, MOLTKESTRAßE 1 ||

10. – erhalten

Dr. H. S.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.12.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31653
ID
31653