Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelmine Hintze, Baden-Baden, 4. September 1905

Baden-Baden

(Hôtel de France).

4. September 1905.

Verehrteste Freundin!

Für Ihre beiden freundlichen Briefe sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank, und ganz besonders für den herrlichen Strauß von Lorber und Nelken! Letzterer wurde mir von hier nach Jena gesandt, wo sein Duft mich noch mehrere Tage erfreute! Ich mußte nämlich meine (auf 20. August festgesetzte) Abreise noch um 8 Tage verschieben, da ich in letzter Stunde erfuhr, daß hier in der vorletzten Augustwoche alle Hôtels (wegen der „großen Rennen“) überfüllt seien. ||

Hier habe ich nun die erste Woche meiner Kur glücklich hinter mir. Ich gebrauche täglich die vortreffliche „Schwedische Gymnastik“ und die warmen Bäder mit bestem Erfolg. Die rheumatischen Gelenk-Schmerzen, die mich in den letzten Monaten arg plagten, sind fast a verschwunden und ich mache wieder kleine Spaziergänge. Ich wohne in dem angenehmen Hotel de France (wo ich schon früher 2mal war) sehr behaglich, mit schönem Blick auf den prächtigen Wald. Die ruhige und regelmäßige Lebensweise bekommt mir gut. So hoffe ich denn, das alte baufällige Gerüste meiner „Person“ noch einmal leidlich zu restauriren! ||

Sie, meine verehrte Freundin, haben von dieser alten „Person“ offenbar eine viel zu gute Vorstellung, wie ich deutlich aus Ihren lieben Briefen erfuhr. Ich muß Sie bitten, Ihre hohe Scala meiner Wertschätzung um die Hälfte herabzustimmen; dann bleibt mein Bild in Ihrem liebenswürdigen Gedächtniß immer noch „viel zu gut“! Ich rechne den größeren Teil Ihrer Überschätzung auf die gemeinsame Freude an der Natur – der Naturschönheit und der Naturerkenntniß – in der wir uns zusammenfinden! Unser unsterblicher Meister Goethe findet da für Sie, wie für mich, immer den vollkommendsten und schönsten Ausdruck! Es war schön, daß Sie mir gerade an seinem Geburtstage Ihren lieben Gruß schickten. ||

Für Ihre tiefe Anteilnahme an meinen naturphilosophischen Arbeiten, sowie meinen wechselvollen persönlichen Schicksalen, danke ich Ihnen noch besonders; auch dafür, daß Sie meine „Indischen Reisebriefe“ mit Liebe lesen. Von letzteren höre ich jetzt täglich sprechen, da mein Tisch-Nachbar, ein alter holländischer Officier (der in Ceylon und Java war) sehr davon eingenommen ist.

Ich bleibe noch bis 18.9. (mindestens) hier und kehre wohl erst Ende September nach Jena zurück.

Mit herzlichsten Grüßen

Ihr alter

E. Haeckel.

a gestr.: f

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.09.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31647
ID
31647