Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 19. Mai 1892
Glasgow 19 Mai 92.
Liebster Freund!
Es war gar lieb von Dir im schönen Italien des ausrangirten Schottischen Härings im fernen Norden zu gedenken und ich danke Dir bestens für Karte und Brief. – Hoffentlich hält die gute Wirkung bei Deiner Frau an und Ihr koennt ungetrübt im schönen Thüringen italienischen Erinnerungen nachhängen. Wenn ich doch auch einmal „dorthin mit Dir, mein Geliebter, ziehen koennte.“ Statt dessen habe ich schmählich Viel zu thun gehabt: Conferenzen von Fabrikanten: deutsch – englisch – französisch in London, denen ich klarmachen mußte daß „the survival of the fittest“ Theorie nicht gut anzuwenden auf Chemische Fabriken. „Leben und leben laßen“ und „Kommt her zu mir alle, die ihr beladen seid“ was das Produkte nun auch immer sei || sind meine Texte gewesen und ich habe denn auch die Genugthuung gehabt Frieden gestiftet zu haben. Entschuldige daß ich Dich mit solchen Sachen langweile. –
Sehr dankbar wäre ich Dir für wenige Worte über Berchtesgaden. Wir haben vor, für August in die Sommerfrische zu gehen und haben unser Auge auf Berchtesgaden geheftet. Kannst Du den Platz empfehlen? – Tante Ida geht Anfang Juni zu ihrer Mutter nach Bad Liebenstein mit den Töchtern und ich gedenke Anfang August mit den Söhnen zu folgen. –
Vielleicht muß ich auch Anfang Juni nach dem Continent und habe schon daran gedacht die Goethe Versammlung, die ja wohl am 10ten in Weimar ist, mitzumachen. Oder sind die Versammlungen „Mumpitz“?
Jedenfalls hoffe ich Euch diesen Sommer zu sehen. Beste Grüße von Haus zu Haus
Immer
Dein
P. R.
Verte! ||
Seit 3 Wochen haben wir einen „Wiener Zwerg Rattler“. Das graziöseste von Hündchen was man sich denken kann. – Gescheidter wie viele Menschen. Du kannst wirklich Studien machen an dem – schon nicht mehr Thier. – Ich liebe ihn bereits fast mehr als wie dunnemals „der König seinen großen Floh“ – das soll Dich zu einer Reise nach Schottland reizen. –
P. R.