Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Beith, 6. März 1892

„Geisland“, Beith

6/3. 92.

Liebster Freund!

Hier, 1 Stunde von Glasgow, über Sonntag, zum Besuch bei schottischen Freunden, finde ich endlich Zeit, Dir für Deinen letzten lieben Brief zu danken. Die Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeiten mit obligatem Menu und Exemplar des Allmers’schen Gedichts machte mir nachträglich den Mund – geistig und körperlich – „wässrig“ und ließ mich mit dem Schicksal „nörgeln“, welches die Hochzeit meiner Nichte in Danzig und meiner || Nichte in Jena nicht derartig beeinflußte, daß ich hätte Beide mitmachen koennen. Eben dasselbe tückische Schicksal gönnte mir, als ich im Januar in Berlin war, auch nicht Zeit in Jena „anzuspritzen“, sondern rief mich per Nachtzug geschäftlich nach Frankfurt und Neuhausen in der Schweiz. – Die Hochzeit in Danzig war sehr munter u. gelungen und erfreute die alten Herzen von „Tante Ida“ u. „Onkel Paul“. ||

Ich schlafe auf der Eisenbahn ziemlich ununterbrochen – wache nur auf Stationen auf – auf denen Buffet – erhole mich also unterwegs – während meine Frau das Reisen doch angreift und sie deshalb etwas caput nach Hause kam. Im Mai sollen wir einen Neffen mit einer Cousine in Königsberg verheirathen; – unsere Reise scheint mir aber noch problematisch. – Was sind Deine Sommerpläne? –

Wir wollten nach Braemar in der Nähe von Balmoral – koennen aber das Haus auf welches wir ein Auge geworfen nicht bekommen und haben seitdem den Continent auf die Liste unserer Pläne gesetzt. Mein Bruder hat uns so viel von Berchtesgaden vorgeschwärmt daß wir daran gedacht haben. Du kennst die Gegend ja gut – kannst Du mir eine Sommerfrische empfehlen – die sich für die ganze Familie eignen würde? – Gute einfache Kost – liebevolle Behandlung – civile Preise. – Mitunter überkommt es mich wie || Angst daß es Unsinn ist in so ernster Zeit an Sommera Pläne zu denken. Was soll aus diesem Conflikt zwischen Kaiser und Reich werden? –

Die Berliner sagen der Kaiser hätte in das Album in München geschrieben „Regis voluptas spes“ – –!

Krankheit ist die einzige Erklärung – aber wie weit müssen die Krankheits-Erscheinungen gehen ehe es als Krankheit erklärt wird. – Die englischen Zeitungen sind voll von Commentaren über die letzte Kaiserrede. – ||

Dr. Elster schrieb mir kürzlich Dein Schwiegersohn sei unwohl nach Hause gekommen u. bettlägerig – hoffentlich nun gar nur ganz vorübergehend! Daß es Deiner Frau jetzt so weit besser geht, hat mich sehr gefreut zu hören. –

Ich habe mich bei einer Steam-trawl-fishing-Conpany betheiligt und Ordre gegeben merkwürdige Seethiere für Dich aufzuheben. Wundere || Dich also nicht wenn Du gelegentlich mal eine Seeschlange oder derartiges en aspice erhältst. –

Mit vielen herzlichen Grüßen von Haus zu Haus

Immer

Dein

treu ergebener

Paul Rottenburg

a korr. aus: Sommerzeit

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
06.03.1892
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31463
ID
31463