Schillings, Carl Georg

Carl Georg Schillings an Ernst Haeckel, Berlin, 20. August 1904

Weiherhof Gürzenich bei Düren, Rheinprovinz

z.Zt. Hotel Monopol, Friedrichstr. 100,

Berlin, 20. August 1904.

Hochgeehrter Herr Professor!

Für Ihre gütige Postkarte sage ich Ihnen meinen aufrichtigen Dank.

Welche Mittel und Wege könnte ich jetzt finden, welche Gründe anführen, um Sie zu bewegen, dass Sie sofort, ohne Aufschub, so eilig wie irgend möglich hierhin kommen!

Wenn die Bitte eines Mannes, der seit Jahren in Ehrfurcht vor Ihrem genialen Können und Wissen lebt, Sie irgendwie beeinflussen kann, wenn ein glücklicher Genius hier helfend zur Seite stehen will – wenn Sie Herr Professor Dr. Richard Kandt’s und meine Stimme irgend ein noch so kleines Gewicht legen, bitte, bitte kommen Sie so eilig wie möglich!

Erlassen Sie es mir gütigst, alle die Gründe anzuführen, die mich veranlassen, gerade Sie so eindringlich zu bitten, aber müsste ich meine Bitte einem Tamerlan vortragen, müsste ich meinen Kopf für die Richtigkeit meiner Behauptungen verpfänden, ich täte es freudig!

Aber ich tue mehr als alles das, ich wage weit mehr, wenn ich einen Mann, den ich so grenzenlos verehre wie Sie, Herr Haeckel, || den Strapazen der Reise hierhin aussetze, gefahrlaufend, dass ich mich täusche.

Aber ich täusche mich nicht. Herr Dr. Richard Kandt muss als Psychiater für meinen Geisteszustand bürgen können. Herr Professor ich bitte Sie, kommen Sie hierher, Sie werden psycho-physikalische Experimente anstellen können, die Millionen Menschen von der Wahrheit Ihrer Weltauffassung und Anschauung überzeugen müssten – vermöchten diese Millionen mit Ihren Augen zu schauen und mit Ihren Verstandeskräften zu urteilen.

Ich bin Ihnen persönlich unbekannt, das Faktum, das Herr von Osten 14 Jahre arbeitete, Jahrelang vergeblich danach strebte und heute noch strebt, von wissenschaftlicher Seite beurteilt zu werden, das Faktum, dass ich erst die ganze Sache mit meinen bescheidenen Kräften in Fluss bringen durfte, dass ich, ich sage es Ihnen offen, mutig mit meinem Namen vor die Welt trat, darf Sie, der die Welt kennt, nicht veranlassen zu glauben, dass ich mich täusche.

Noch einmal kommen Sie, und was Sie auch unter der Feder haben mögen, ich vermesse mich zu sagen, dass es zurücktreten muss vor den Ihrer hier harrenden Ueberraschung[en].

Morgen kann das Pferd tot – vielleicht vergiftet sein. Dann ist es zu spät.

Ich weiss, dass Sie mir, wenn Sie kamen, dankbar die Hand drücken werden.

Und das soll ein Ehrentag ohne gleichen für mich sein.

In hochachtungsvollster Ergebenheit bin ich Ihr

C. G. Schillings

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.08.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 31338
ID
31338