Hertwig, Richard

Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 22. April 1915

München Schackstr. 2III d. 22 April 1915.

Hochverehrter lieber Lehrer und Freund!

Heute bringt die Zeitung die telegraphische Nachricht, daß der Tod Ihnen die treue Lebensgefährtin geraubt hat. Mir kommen dabei die vielen schönen Stunden in Erinnerung, welche in Ihrer Familie ich erleben durfte, als mich ein glückliches Schicksal nach Jena und in Ihre Schule führte. Mit herzlicher Dankbarkeit gedenke ich daher der Verstorbenen.

Noch mehr aber denke ich heute an Sie. Als glühender Patriot nehmen Sie an den schweren Sorgen Theil, mit denen wir Alle bei aller Hoffnungsfreudigkeit für die Zukunft die furchtbaren Kämpfe || verfolgen, welcher unser liebes Deutschland für seine Kultur auszukämpfen hat. Wie werden Sie in dieser Zeita den Verlust in Ihrem häuslichen Leben überwinden? Sie sind eine harte Kämpfernatur, gewohnt die Feindseligkeiten des Schicksals und der Menschen ungebeugt zu ertragen. Ich wünsche und hoffe, daß das auch diesmal zutreffen wird. Möge es Ihnen erleichtert werden durch das Gefühl, daß ausserordentlich viele in diesen Tagen an Sie mit Liebe und Theilnahme denken, unter ihnen auch meine Frau und ich, welche Ihnen und Ihren Kindern unser allerherzlichstes Beileid ausdrücken.

Leider ist es mir nicht möglich der Verstor-||benen das letzte Geleit zu geben. Wollen Sie daher mit dem Kranz, welcher heute Abend in meinem Auftrag gesandt wird, in meinem undb meiner Frau Namen den Sarg schmücken.

In alter Freundschaft, Verehrung und treuer Anhänglichkeit

Ihr

Richard Hertwig.

a eingef.: in dieser Zeit; b eingef.: und

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.04.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30541
ID
30541