Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 18. Dezember 1908
München d. 18. December 1908.
Hochverehrter lieber Freund!
Herzlichen Dank für Ihre rasche Benachrichtigung! Ich habe Ihren Brief Doflein zu lesen gegeben; esa wird demselben eine grosse Genugthuung bereitet haben, daß Sie sich so warm für ihn interessirten. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß er ziemlich lebhaft auf die Berufung nach Jena rechnete und daß der Ausgang der Angelegenheit ihm eine Enttäuschung bereitet hat. Nun! es ist ihm bisher b Alles nach Wunsch und besser als || seinen Altersgenossen gegangen, daß er auch einmal hinter Anderen zurückstecken kann. Er hat ja hier eine so angenehme Position, wie er sie sich nur wünschen kann.
Mir thut es herzlich Leid, daß Sie wieder an Ihrem Knie laboriren. Wir stehen da in wunderbarer Sympathie. Vor 8 c Jahren lag ich auch längere Zeit wegen eines geschwollenen Knies zu Bette. Seit 3 Tagen, in Folge eine Überanstrengung beim Turnen hat sich das Leider wieder eingestellt, freilich so schwach, daß es mich nicht am Ausgehen hinter. Meine || Frau massirt mich. Ich denke, daß es so bald besser werden wird. Sonst geht es in meiner Familie gut. Otto ist ein wackerer Einjähriger bei der Artillerie, Walther treibt eifrig Physik, Chemie und Mathematik.
In den Weihnachtsferien gedenken wir einige Zeit nach Schlederlohe auf’s Land zu gehen, vorausgesetzt daß das Wetter es erlaubt. Bis jetzt hat es nicht den Anschein. Vor allem fehlt es zu einem richtigen Winteraufenthalt an Schnee. Vor 3 Wochen war ich mit Goebel an einem Sonntag auf dem Spitzstein nach dem || Kaisergebirge. Obwohl der Berg 1559 Meter hoch ist, sind wir doch nur die letzten 300 Meter in Schnee gekommen. Die Möglichkeit derartiger Sonntagsexcursionen ist doch in München herrlich.
Und nun wünsche ich Ihnen zu den bevorstehenden Festtagen von Herzen alles Gute, vor Allem baldige völlige Gesundung. Meine besten Empfehlungen an Ihre liebe Frau!
In alter Anhänglichkeit
Ihr treu ergebener
R. Hertwig
a korr. aus: er; b gestr.: so; c gestr.: Tagen