Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 5. Mai 1897
München d. 5. Mai 1897
Lieber, hochverehrter Freund!
Mit großer Freude habe ich aus den italienischen Zeitungen ersehen, wie Sie in Messina gefeiert worden sind. Ich gratulire Ihnen zugleich auch im Namen meiner Frau herzlichst zu diesem Zeichen aufrichtiger Verehrung.
Ihr Aufenthalt in Messina muß Ihnen auch sonst viel Freude || gemacht haben. Mit dem Ort sind ja für Sie so viele stolze und liebe Erinnerungen verbunden. Ich wünsche daß der lange Aufenthalt am Meer Ihnen und Ihrer lieben Frau rechte Erholung gebracht hat.
Nachdem ich die IV. Auflage meines Lehrbuchs abgeschlossen hatte, bin ich Ende März mit meiner Frau nach Italien gereist. Wir waren zunächst 14 Tage in Rom, welches meine Frau noch nicht kannte. Leider bekam ihr das Römer Klima nicht gut. || Sie holte sich in der Villa Borghese einen Wechselfieberanfall, der nach 8 Tagen recidivirte. Da meist ein heißer Vormittag von einem rauhen und windigen Nachmittag gefolgt wurde, fing auch der Husten an schlimmer zu werden, so daß ich schon daran dachte, nach Nervi überzusiedeln. Indessen genügte diesmal die Übersiedelung nach dem Golf von Neapel, an dem wir 14 wundervolle Tage verlebten. 7 Tage davon verbrachten wir auf Capri in dolce far niente. Von Sorrent aus fuhren wir die || ganz wundervolle Straße nach Amalfi, von wo aus wir Ravello besuchten. Die geplante Tour nach Paestum wurde durch einen a tollen Scirocco unmöglich gemacht. Dafür hatten wir Zeit einen zauberhaft schönen Frühlingstag ausschließlichb ganz dem Naturgenuß in Florenz zu widmen. Auch habe ich dieses Mal endlich Gelegenheit gefunden, den großartigen Dom von Orvieto kennen zu lernen.
Indem ich Ihnen beiliegend ein Exemplar meiner Zoologie übersende und Sie bitte dem Buch Ihr Wohlwollen auch ferner zu schenken, bleibe ich in treuer Freundschaft und Verehrung
Ihr Richard Hertwig
Herzlichste Grüße auch von meiner Frau.
a gestr.: ganz; b gestr.: ganz, eingef.: ausschließlich