Hertwig, Richard

Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 7. Dezember 1891

München d. 7.a December 1891.

Lieber, theurer Freund!

Ihre Einladung ist in ein Trauerhaus gekommen. Heute Nachmittag begruben wir unser liebes sonniges Lisbethchen, das nach schwerem qualvollem Todeskampf ihr junges Leben am Sonntag hatb beschließen müssen. Vor 4 Wochen bekam unser Walther Keuchhusten und der Otto folgte || bald nach. Lange hofften wir die Kleine, die damals noch nicht 4 Monate alt war, vor der Ansteckung c bewahrtd zu haben, indem wir sie frühzeitig zur Großmama ausquartirt hatten. Allein Mittwoch vor 8 Tagen kehrte sie wieder mit unzweifelhaftem Keuchhusten zurück, der sich täglich steigerte und zur Lungenentzündung führte.

Für meine Frau und mich ist es ein sehr harter Verlust. Es war ein so wundernettes, liebenswürdiges || Kind, das mit seinem frohen Lachen uns eine Quelle reichen Glücks geworden war. So lange die beiden Buben um uns sind, lassen sie den Schmerz nicht aufkommen. Aber Morgense beim Aufstehen und Nachts beim Erwachen ist es mir oede und leer und leide ich dann doppelt schwer unter dem Verlust.

Sie gehen frohen Tagen entgegen, feiern Sie froh und glücklich und seien f Sie versichert || daß wenn auch abwesend meine Frau und ich doch herzlichen Antheil nehmen werden. Möge dem jungen Paar viel Glück beschieden sein und möge ihm von den Wechselfallen des Schicksals, die ja mit dem Menschenleben unlösbar verknüpft sind, möglichst viel erspart werden.

Herzlichst grüßt Sie und die Ihren

Ihr treuergebenerg

R. Hertwig

a korr. aus: 2.; b korr. aus: hatten; c irrtüml.: zu; d korr. aus: bewahren; e korr. aus: morgens: f gestr.: ,; g korr. aus: treugergebener

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.12.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30475
ID
30475