Hertwig, Richard

Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 21. Oktober 1891

München d. 21. October 1891.

Gabelsbergerstraße 76 aIII

Lieber und hochverehrter Freund!

Wollen Sie mir nur ganz kurz auf einer Correspondenzkarte den Tag der Hochzeit Ihrer Fr. Tochter angeben, damit ich meine Theilnahme ausdrücken kann, wenn ich auch selbst verhindert bin nach Jena zu kommen. Ich stecke bis über die Ohren noch in der Arbeit. Das Lehrbuch, trotzdem es zum Semester nur in seinem ersten Theil erscheinen || kann, hat mich ganz absorbirt und wird mir noch viel Mühe machen, ehe es ganz fertig gestellt ist.

Aus München bin ich die Ferien über mit Ausnahme von etwa 8 Tagen, die ich bei meiner Frau in Starnberg zugebracht habe und von 2 Tagen im Gebirge nicht herausgekommen. Trotzdem geht es mir ganz gut. Wir haben eine neue Wohnung genommen, welche endlich einmal der wachsenden Familie gestattet sich auszubreiten. Den Kindern geht es wie meiner Frau vortrefflich. ||

Im Winter wird Weismann mit Sohn und Tochter in München leben. Seit dem Tod seiner Frau scheint ihm Freiburg nicht mehr zu behagen. Auch sollen seine Augen etwas mehr angegriffen sein wie früher. Ob das der Anfang sein wird, daß er sich vom academischen Leben zurückzieht? Ich habe selbst Weismann nur einmal auf einem Spaziergang flüchtig gesprochen.

Mit Semper soll es auch nicht zum Besten stehen. Er soll auch || daran denken, sich in das Privatleben zurückzuziehen. Um so mehr kann man sich freuen, wie Sie Ihre jugendliche Rüstigkeit bewahren. Ich beneide Sie oft darum, namentlich wenn ich sehe, wie Sie so sehr viel rüstiger sind im Schaffen.

Viele viele herzliche Grüße an Sie und Ihre liebe Familie auch von meiner Frau!

In treuer Anhänglichkeit

Ihr

Richard Hertwig

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.10.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30472
ID
30472