Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Berlin, 13. Juni 1899
Berlin, W. Maassenstr. 34.
den 13. Juni 1899.
Lieber Freund u. College!
Dass Sie sich zu der Mitarbeit an dem Handbuch der vergleichenden Entwicklungslehre nicht entschliessen können, habe ich aus Ihrem letzten Brief zu meinem grossen Bedauern erfahren; ich wollte zuerst mit Bitten in Sie dringen, habe es aber unterlassen, da ich nach Ihrer bestimmten Erklärung doch nicht auf eine || Aenderung Ihres Entschlusses hoffen konnte. Anstatt an Ziegler, habe ich a mich an Richard wegen der Bearbeitung des betreffenden Kapitels gewandt und ihn auch zur Annahme bestimmt.
Dass Sie über Ihre Gesundheit klagen, habe ich im letzten Herbst schon von Richard gehört, als er auf dem Congress in Cambridge mit Ihnen zusammen war; doch hoffe ich, dass Sie Ihreb Leiden schwerer || nahmen, als sie es verdienen. Denn wer sich einer so glücklichen Gesundheit und einer so kräftigen Constitution, wie Sie immer zu erfreuen gehabt hat, der empfindet es schwerer, wenn c in der gewohnten Weise nicht Alles mehr geht, als Jemand, der mit einem schwächeren Körper ausgerüstet schon früh mit seinen geringen Kräften hat Haus zu halten lernen müssen. Daher glaube ich, dass wir Ihrer Arbeitskraft noch manches Werk werden zu verdanken haben. ||
In dieser Woche erhielt ich das 2te Heft Ihrer Kunstformen der Natur, für welches ich Sie gleichfalls meinen besten Dank entgegen zu nehmen bitte.
Bis jetzt haben die Verhandlungen wegen des Handbuchs einen guten Fortgang genommen, so dass in einigen Wochen alle Kapitel ihre Bearbeiter gefunden hatten. Für mich ist dadurch ein ungewohnter, lebhafter Briefwechsel entstanden, welcher es auch verursacht hat, dass ich Ihnen nicht schon früher auf Ihre Zeilen vomd 26/V geschrieben habe.
Mit bestem Gruss von Haus zu Haus in alter Anhänglichkeit
Ihr
Oscar Hertwig
a gestr.: dann; b korr. aus: Sie; c gestr.: es; d eingef.: vom