Hertwig, Oscar

Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Berlin, 5. November 1892

Berlin den 5 November 1892.

Verehrter Freund u. College!

Es ist schon lange her, dass ich Ihnen keine Nachricht von mir gegeben habe. Der Bau des Instituts, mein Lehrbuch der Zelle, zwei Vorträge, die ich im Sommer zu halten hatte, a nahmen meine Zeit sehr in Anspruch. Jetzt bin ich seit 2 Wochen im neuen Gebäude eingerichtet, das einen sehr freundlichen || Eindruck macht und Alles bietet, was ich mir nur zum Unterricht wünschen kann, ein Auditorium für 300 Zuhörer, einen Mikroskopirsaal für 100 Practicanten und einen schönen, grossen Sammlungssaal etc. Augenblicklich fehlt es bei der inneren Einrichtung noch an dieser und jener Kleinigkeit, auch müssen die verschiedenen Sammlungen noch in Ordnung gebracht und inventarisirt werden; wenn aber dieser || Zustand b überwunden ist, hoffe ich genügend Zeit zum ruhigen Arbeiten zu finden.

Im August war ich mit Familie in Bad Elster, wo meine Frau ihres Magenleidens wegen Brunnen trinken musste. Dann reiste ich allein für 2 Wochen nach Tyrol und Oberbaiern, wo ich mit Richard eine Fusstour machte, und holte auf der Rückreise die meinigen von Elster wieder ab. || Ich hatte ursprünglich in Absicht den Rückweg über Jena zu machen und dort noch einige Tage zu bleiben. Die Cholera veranlasste uns aber lieber direkt nach Berlin zurück zu kehren.

Über die Bismarkfeier in Jena habe ich mich sehr gefreut und mir von Frau Dr. Gänge, die ich in Elster traf, noch Genaueres über dieselbe erzählen lassen. Hoffentlich geht es Ihnen u. Ihrer Familie gut und geben Sie mir bald einmal Gelegenheit, Ihnen meine Institutseinrichtungen zu zeigen.

Mit besten Grüssen auch von meiner Frau an Sie und Ihre Familie an Pathe Emma, die nun mittlerweile so gross wie ihre Schwester geworden sein wird.

Ihr Oscar Hertwig

a gestr.: kau; b gestr.: noch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.11.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30402
ID
30402