Hertwig, Oscar

Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Bonn, 21. Juli 1874

Bonn den 21 Juli 1874.

Sehr geehrter Herr Professor.

Der an Stelle Ihrer Person am Sonnabend eintreffende Absagebrief hat weniger mich, als die Bonner Professoren überrascht, die nicht begreifen konnten, daß Jena die Universität Bonn hätte ausstechen können. Ihre Tanten Bleek und Sethe, welche vor einigen Tagen hier wieder eingetroffen waren und durch mich Ihre beabsichtigte Hierherkunft erfahren hatten, hatten zu Ihrem Empfange bereits Alles eingerichtet, als ich denselben am Sonnabend Nachmittag die Änderung Ihres Entschlusses mittheilte. Den Festbraten, zu welchem La Valette am Sonntag die Familie Pflüger, Veit, Wildmann und mich eingeladen hatte und || der hauptsächlich für Sie bestimmt war, haben wir leider ohne Sie verzehren müssen, nicht aber ohne auch auf Ihr Wohl, trotzdem Sie uns einen Korb gegeben haben, ein Glas zu leeren.

So verlockend die Berufung nach Bonn in mancher Beziehung war, so vermag ich doch nicht zu entscheiden, an welchem Orte, ob in Jena oder Bonn? Sie sich schließlich wohler würden befunden haben. In solchen Fällen freilich ist es immer das Beste, das Gewisse, was man besitzt, dem Ungewissen vorzuziehen. Mir persönlich thut es sehr leid, daß es aus Ihrer und Richards Übersiedelung hierher Nichts geworden ist.

In Ihrem Briefe sprachen Sie von Leydig als eventuellen Nachfolger Schultzes. Haben Sie denselben der Regierung vorgeschlagen? Von hiesiger || Fakultät waren außer Ihnen, so viel ich weiß, nur noch Prof. Gegenbaur und Lieberkühn in Vorschlag gebracht worden. Beide, glaube ich, werden aber einen eventuellen Ruf wohl nicht annehmen.

In den letzten Wochen bin ich eifrig mit der Ausarbeitung meiner Untersuchungen beschäftigt, die einen ziemlichen Umfang gewonnen haben und in einem Hefte separat erscheinen werden. Die 5 Tafeln zu demselben habe ich zum Theil bereits dem Lithographen Bach zur Ausführung zugesandt.

Auf die mit Richard projectirte Erholungsreise nach Helgoland freue ich mich täglich mehr. Seit unserem gemeinsamen Dalmatiner Aufenthalt habena Richard und ich das Meer nicht wieder gesehen.

Mit herzlichem Gruße an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin und mit dem Wunsche, daß mein Pathchen recht gedeihen möge

bleibe ich

Ihr treu ergebener

Hertwig.

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Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.07.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30374
ID
30374