Oscar Hertwig an Ernst Haeckel, Mühlhausen, 18. März 1874
Mühlhausen 18.3.74.
Hochgeehrter Herr Professor!
Mit großer Freude haben Richard und ich Ihre im letzten Brief gemachten Mittheilungen gelesen. Von Herzen wünschen wir, daß Sie zum Nachfolger Schultzes berufen werden möchten, und leben wir daher in einer nicht geringen Spannung wegen des Ausfalls der Antwort, welche die Regierung auf die vor 3 Wochen erfolgte Berufung Waldeyers der Bonner Fakultät ertheilen wird. Dieselbe war bis zu unserer gestern erfolgten Abreise nach Mühlhausen über die Entschließung der Regierung noch vollständig im Ungewissen.
Sollte die Bestätigung Waldeyers || nicht erfolgen, so halten wir es für ganz sicher, daß Sie ienen Ruf an Schultzes Stelle erhalten werden.
Den Inhalt Ihres Briefes haben wir mündlich Prof. Binz und La Valette mitgetheilt, sonst aber bei der noch schwebenden Berufung Waldeyers keinen weiteren Gebrauch von demselben gemacht. Beide lassen Sie bestens grüßen und Ihnen sagen, daß Siea sich über den Ausfall Ihrer Antwort sehr gefreut hätten. Bei Gelegenheit der Abschiedsvisiten erklärte der innere Kliniker Prof. Rühle Richard gegenüber, daß er im Falle einer abschlägigen Antwort von der Regierung mit aller Energie darauf hinwirken würde, daß Sie mit derselben Einstimmigkeit, wie kürzlich Waldeyer von der Fakultät in Vorschlag gebracht würden.
Wie wir durch Prof. v. La Valette || und aus früheren Äußerungen wissen, werden Prof. Pflüger und der Gynaekologe Prof. Veit mit Entschiedenheit für Ihre Berufung eintreten. Es sind daher jetzt in der Fakultät nur zwei Professoren, Geh. Rath Busch und der Prof. der Augenheilkunde Saemisch, über deren eventuelles Verhalten bei der Berufungsangelegenheit wir kein Urtheil haben. –
Bei seiner demnächstigen Ankunft in Jena (29ster März) wird Ihnen Richard Näheres mittheilen können, namentlich was die Ausstattung des Instituts etc anbetrifft.
Für ein Jahr habe ich die Assistentenstelle an der Anatomie übernommen. Im Winter wird Prof. von La Valette auf jeden Fall seine Professur niederlegen.
Meine Eltern und Richard lassen sich bestens empfehlen.
Mit vielen Grüßen an Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin und in der Hoffnung, daß mein Pathchen sich der besten Gesundheit erfreut,
bleibe ich
Ihr treu ergebener
O. Hertwig.
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