Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 27. Juni 1878

Berlin N. O. Friedenstraße 10. II.

den 27.6.78.

Lieber Freund!

Sie sind also wirklich an jenem Abend durch Berlin gekommen u. ich bin mit Blindheit geschlagen gewesen! Ich erkläre mir die Sache damit, daß ich zu lange auf dem Anhalter Bahnhofe umhergesucht habe, ehe ich nach dem Potsdamer fuhr, so daß ich dort sehr kurz vor Abgang ankam, u. dort allerdings nur einen Blick in die Wartezimmer u. den Perron gethan habe, weil ich es eigentlich schon aufgegeben hatte, daß Sie dort sein könnten. Ehe ich Ihre freundliche Anfrage wegen des Artikels über die Entwicklung der Sinneswerkzeuge beantworten konnte, habe ich noch einmal an Alberts geschrieben u. gefragt, ob er sich nun entschlossen habe, den Kosmos noch einige Zeit zu halten. Ich habe nämlich wenigstens a || noch für drei bis vier Monatshefte Manuskript liegen u. es blieb dabei immer eine gewisse Verpflichtung, das wenigstens b erst zum Abdruck zu bringen. Nun antwortete mir Alberts vorgestern, c er wolle es einige Zeit noch versuchen, wenn sich die Mitarbeiter der Sache wegen mit einem etwas geringeren Honorar Satz begnügen wollten, während er sich nicht dazu verstehen will, die Ausstattung billiger zu gestalten. Er glaubt, daß dieser Punkt sein Renommée beeinträchtigen könne! Dagegen will er died Illustration einschränken, u. ich möchte Sie bitten, ihm eventuell in diesem Punkte entgegenzukommen, resp. mir zu gestatten, daß ich Ihre Arbeit erst in’s vierte Quartal nehme. Wir haben nämlich im Julihefte mit der Publikation einer reich illustrirten Arbeit von Hermann Müller begonnen, die sich durch dieses Quartal hinzieht; dazu kommen mehrere illustrirte || Artikel von Hilgendorf u. Fritz Müller, so daß wenn wir Ihren Aufsatz gleich nehmen wollten, sich die Illustration augenblicklich häufen würde, um nachher desto auffälliger abzubrechen. Auch den Gasträaden-Artikel habe ich wegen dieser nebensächlichen Frage vorläufig zurückgestellt; man muß den Marotten des Verlegers entgegenkommen. Sehr traurig stimmt mich Ihre Androhung, daß wir in Jahren auf keinen weiteren Beitrag von Ihnen rechnen dürften, aber auch das wäre nur ein Grund mehr, mit Ihrer in Aussicht gestellten Arbeit ökonomisch zu sein. Hoffentlich werden Sie aber inzwischen doch ab u. zu, wenn dem Kosmos ein weiteres Leben beschieden sein sollte, uns mit irgend einem Beitrage unterstützen? Mit großer Befriedigung habe ich aus mehreren Stellen des zehnten Bandes von Brehm’s Thierleben entnommen, daß Oscar Schmidt nach || u. nach wieder einlenkt u. sogar die Gasträa-Theorie in ihre Rechte einsetzt. Es thut mir nur fast leid, daß ich ihn in dem Göthe-Artikel nicht lieber ganz aus dem Spiel gelassen habe, doch kann er sich weiter nicht beklagen, wenn er nicht grade die allgemeinen Bemerkungen auf sich beziehen will. In Betreff Caspari’s hat Ihr Brief an Alberts, wofür ich Ihnen besonders dankbar bin, gute Wirkung gethan. Alberts hat mir versprochen, ihn künftig noch knapper in seinem Einfluß zu halten, u. ich muß demselben beistimmen, wenn er sagt, er würde doch wohl einee mißliche Sache sein, Casparif mit Gewalt hinauszudrängen. Solche Fehler bleiben, wenn sie einmal gemacht sind, sehr schwer zu kuriren u. man muß g dieselben langsam ausheilen lassen. Vielleicht kommt er noch selber zu der Einsicht, daß es uns weniger auf ein fertiges System, als auf Theilzahlungen u. gesunde Anleihen auf philosophischem Gebiete ankommth.

Mit den herzlichsten Grüßen u. Wünschen für Ihr Wohlbefinden

Ihr ergebenster

Ernst Krause

a gestr.: drei; b gestr.: zu; c gestr.: ers; d korr. aus: der; e korr. aus: einen; f gestr.: denselben; eingef.: C.; g gestr.: sich; h gestr.: handelt; eingef: ankommt

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.06.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29440
ID
29440