Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 2. Mai 1878

Berlin N. O. Friedenstraße 10. II.

den 2.5.78.

Lieber Freund!

Meinen herzlichsten Dank für die freundliche Zusendung der beiden Separatabdrücke, die ich sofort für das nächste Heft verwerthen werde. Unser Maiheft ist soeben zur Ausgabe fertig geworden, u. wird unsere Abonnenten dank Ihrer Mitwirkung, wieder einmal befriedigen. Damit nicht gar zu viel des Guten hineinkommena sollte habe ich eine nothwendige Oekonomie beobachtend, einen Artikel von Reichenau dazwischen geschoben, der nichts als einen mechanischen Auszug aus Brehms Thierleben darstellt. Sie können daran sehen, was Alles von Prof. Jaeger für den Kosmos geeignet gehalten wird. Ich habe mich indessen entschieden geweigert, eine Fortsetzung dieser Artikel zu geben, u. auch nur den ersten mit || Rücksicht auf den traurigen Umstand passiren lassen, daß ihn Alberts vorausbezahlt hatte. Wie ich das von Anfang an vermuthet hatte, stellen sich diese drei Annahmestellen als ein rechtes Kreuz dar; so hat Caspari – der übrigens jetzt hier war – eine enge Allianz mit Friedrich von Bärenbach u. Göler von Ravensberg geschlossen, u. maltraitirt mich trotz aller Gegendemonstrationen mit deren mehr als mittelmäßigen Leistungen. Caspari stellt sich überhaupt als ein sehr systemwüthiger Philosoph heraus, demb, wie er mir neulich auseinandersetzte, die vorwiegend naturwissenschaftliche Färbung des Kosmos absolut nicht zusagt, u. der trotz alledem u. alledem die Welt zu construiren u. nicht zu erforschen wünscht. Ich nehme mit Vergnügen Aufsätze wie die Schultze u. Vaihin-||ger’schen u. wünschte nichts sehnlicher, als für jedes Heft einen geeigneten philosophischen Artikel zu haben, aber solche laufen doch leider nur spärlich ein, u. statt schlechten dialectischen Gewäsches will ich lieber zeitweise ganz darauf verzichten, u. habe Caspari rundweg erklärt, den Kosmos zu einem vorwiegend philosophischen Journale zu machen u. die Naturwissenschaften unterzukriegen, dazu könne ich die Hand nicht bieten. Auch Jaeger macht mir mit alledem Zeuge, was er in den Kosmos hinein haben möchte, viel Noth. Neuestens will er entdeckt haben – so schreibt Alberts – daß die „Seele eine bloße chemische Verbindung“ sei, u. ich habe letzteren dringend gebeten, diesen Kelch von uns abzuwenden. Das ist nun der philosophische Kopf, der dem Monismus nicht zustimmen konnte, weil er ihm zu materialistisch angehaucht wäre! Vor einigen Monaten habe ich ein Refe-||rat über die Cattie’schec Streitschrift gegen Sie verfaßt, dasd ich endlich hoffe, im nächsten Hefte unterzubringen. Haben Sie diesen Qualm gelesen? Der Mann druckt am Schlusse mit fetten Lettern als Resultat seiner Göthestudien, daß dieser statt Vorläufer vielmehr ein Gegner des Darwinismus jae ein Verehrer des Constanz-Dogma’s gewesen sei! Ich denke ihn gebührend heimgeleuchtet zu haben.

Es ist gewiß sehr unbescheiden, wenn ich bei all’ der Arbeit u. Noth, in der Sie in Folge Ihrer Rückkehr stecken werden, mit der stereotypen Bitte schließe, uns sobald wie möglich wieder mit einem Originalbeitrag unterstützen zu wollen. Aber ich entschuldige meine Frechheit mit der Überzeugung, daß wir auch mitf demjenigen, was Sie ganz leicht u. schnell niederschreiben, unsern Lesern eine große Freude machen. Sie sprachen im Herbst von einem Medusen-Thema wie Sie sagten für den Kosmosg, welches sich ganz gut eignen würde. Darf ich Sie daran erinnern?

Mit den herzlichsten Grüßen u. Wünschen für Ihr Wohlbefinden

Ihr ergebenster

E Krause

a korr. aus: hineinkommt; b korr. aus: der; c irrtüml.: Cattle’sche; d korr. aus: die; e gestr.: vielmehr; eingef.: ja; f eingef.: mit; g eingef.: wie Sie … den K.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.05.1878
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29437
ID
29437