Krause, Ernst

Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 21. Dezember 1877

Berlin N. O. Friedensstraße 10. II.

den 21.12.77.

Hochverehrter u. lieber Freund!

Mit dem herzlichsten Danke sende ich Ihnen hierneben unter Kreuzband das mir freundlichst geliehene Heft des American Journal of Science and Arts, u. bitte Sie gütigst entschuldigen zu wollen, daß dies so spät geschieht, aber der Xylograph hat mich schändlich damit hingehalten. Der Artikel über die amerikanischen Funde soll schon im Januarhefte beginnen; da Sie uns leider mit Ihrem so sehnlich erwarteten Beitrage haben sitzen lassen, mußte ich schnell damit einspringen, weil wir sonst wieder nur Diskussionen gehabt hätten. Sie werden an den nächsten Heften, hoffe ich, mehr Freude haben, als bisher: die Artikel von Herrn Prof. Fritz Schultze sind so schön, daß man wünschte, sie nähmen gar kein Ende; dazu haben wir ferner ein Abkommen mit Herbert Spencer || getroffen, daß er uns eine Reihe seiner sociologischen Studien überläßt, welche gleichzeitig in einem englischen, amerikanischen u. französischen Journale erscheinen, u. dann sofort in Buchform gesammelt werden. Da sieht man den praktischen Engländer, der’s versteht, sich seine Arbeiten gleich beim ersten Erscheinen sechsfach honoriren zu lassen. Übrigens scheint der Kosmos gute Fortschritte in der Abonnentenzahl zu machen, obwohl noch immer viel Gesindel wieder abspringt.

Die Gegenwart hat mein Anerbieten, ihr einen Artikel über die Münchener Vorgänge zu schreiben, richtig abgelehnt; sie habe sich bereits damit „beschäftigt.“ Ein lächerlicher Arzt Paul Boerner hatte ihr nämlich einen Artikel geschrieben, in welchem dieser urtheilsvolle Denker meint, mit der Virchow’schen Rede dürfte nun wohl die Darwin’sche Theorie mit Allem was drum u. dran hängt, eina für alle Mal abgeschlachtet sein. Man möchte laut auflachen, nicht über den Skribenten, denn alberne Menschen giebt’s überall, sondern über die Redaktion, die dergleichen || zum Drucke befördert. Allem Anscheine nach ist übrigens die Virchow’sche Expectoration sehr wenig gekauft worden, u. schließlich hat er sich am meisten selber geschadet. Der Angriff von Herrn Prof. Oscar Schmidt im Ausland, wird ihm übrigens die wenigsten Schmerzen gemacht haben. Wie ich in den Beilagen der Augsburger Allgemeinen Zeitung vor 14 Tagen gelesen, hat ja schließlich Prof. Moritz Wagner in München auch noch Stänkereien gemacht, u. brüstet sich damit, daß keine der zahlreichen dort gewesenen Darwinianer von der natürlichen Zuchtwahl mehr etwas habeb wissen wollen; der scheint im Migrations-Dunkel nach u. c nach sich ganz aufzulösen.

Heute erhielt ich einen Brief von einem Herrn Mereschkowsky aus St. Petersburg, der uns einen Artikel über den Unterschied zwischen Thieren u. Pflanzen „von einem ganz neuen Gesichtspunkte“ anbietet. Er scheint Assistent am dortigen zoologischen Kabinet zu sein, wenigstens verlangt er die Adressirung der Antwort an dasselbe. Ist das vielleicht einer Ihrer Schüler u. Zuhörer gewesen, oder ist Ihnen der || Name sonst vortheilhaft bekannt? Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mittels Postkarte eine ganz kurze Andeutung darüber machen wollten, denn wenn man mit diesen Herren Russen erst anbindet, wird man sie gar nicht wieder los, u. das Thema ist ein so ergiebiges Feld für Schwaddeleien, das es besser gar nicht, als von einem Stümper behandelt wird.

Indem ich Ihnen von Herzen ein fröhliches Fest wünsche, u. die Bitte daran knüpfe, Ihren Kosmos nicht zu vergessen, mit vielen herzlichen Grüßen

Ihr

dankbar ergebenster

Ernst Krause

a korr. aus: eine; b korr. aus: haben; c gestr.: ga

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.12.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 29435
ID
29435