Königsbrunn, Hermann Baron von

Hermann Freiherr von Königsbrunn an Ernst Haeckel, Graz, 13. Mai 1882

Gratz 13/5 1882.

Wickenburggasse Nummer 5.

Hochverehrter Herr Professor!

Wie tückisch das Schicksal sich doch anstellte mich um die Freude Ihrer Wiederbegegnung zu bringen! Erlauben Sie daß ich den Sachverhalt aufkläre. Es lebt mir hier noch ein Cousin gleichen Namens, und da ich sehr selten Telegramme erhaltea, er hingegen nahmentlich mit Triest in lebhafter Verbindung steht, so wurde Ihr Telegramm, das vielleicht bloß Baron Königsbrunn in Gratz adreßirt gewesen sein mag in seine Wohnung bestellt, und dort der Bothe von der Magd mit der Nachricht abgewiesen daß er nach Laibach abgereist sei, wie es in der That der Fall war. Aber selbst diese Abwesenheit von wenigen Tagen war bei seinem hohen Alter nur durch ein zufälliges Ereigniß veranlaßt mußte aber gerade in ausgesucht ärgerlicher Weise b in diese Zeit fallen, wo sie für mich die verdrießlichste Verwirrung nach sich zog. Während hochverehrter Herr Professor meine Abwesenheit zu bedauern so gütig waren, sah ich, wie ich gestehen muß mit einiger Sicherheit tag täglich einem Aviso von Ihrer Ankunft in Triest entgegen, um nach langer vergeblicher Sehnsucht gewiß mit ebenso großem Bedauern in meiner angenehmen Hoffnung Sie persönlich in Gratz begrüßen zu können, schmerzlich getäuscht zu werden. Außerdem auch noch des großen Genußes verlustig, den mir Ihre zahlreichen || Zeichnungen u. Aquarelle naturgemäß gewähren mußten (sind sie doch lauter liebe Erinnerungen an meine schönste Lebensperiode), mußte es auch in Ihnen die für mich nicht sehr günstige Vorstellung erwecken, daß es eben keine große Aufmerksamkeit beweist, gerade zu einer Zeit, wo verabredeter Weise Ihre Rückkunft bestimmt war mich unsichtbar zu machen. Mit welch spannendem Interesse ich von den Früchten Ihres außerordentlichen Fleißes doch Einsicht genommen hätte! Nun daran ist nichts mehr zu ändern! Aber Ihre Güte hochverehrter Herr mit der Sie mir die Möglichkeit einer Begegnung im Herbste in Aussicht stellen fegt den begreiflichen Unmuth über diese Schicksalstücke hinweg. Diese Hoffnung ist für mich so freudiger Natur, daß ich ihr ernstlich nachzuhängen kaum den Muth habe. Ich bin durch meinen Beruf so wie durch persönliche Verhältniße leider so gebunden daß ich eine weitere oder längere Reise kaum planen könnte; allein weil Sie erwähnen ob vielleicht im Monathe August und September nicht eine Begegnung irgendwo in den Alpen möglich wäre, so erlaube ich mir den Schluß, daß Sie selbst daran denken um diese Zeit ins Gebirge zu gehen. Nun werde ich wie schon seit mehreren Jahren auch dießmal die erwähnten Monathe am Fuße der Koralpe 2 Eisenbahnstationen von Gratz zubringen, wo ich in dem Schlößchen || Wildbach für mich und meine Familie eine Sommerwohnung gemiethet habe. Sollten hochverehrter Herr es nicht verschmähen uns in diesem stillen Erdenwinkel aufzusuchen und unter unser bescheidenes Dach zu tretten [!] so sind Ihnen Thür und Tor auf das Freudigste geöffnet. Freilich ist der Aufenthalt daselbst idyllisch genug aber für eine Person, nahmentlich die auf so großen Weltreisen sich zuweilen bescheiden gelernt haben mag, biethet unsere Wohnung noch immerhin Raum genug um einen anspruchslosen Gast mit Beruhigung unterbringen zu können. Unser Sommerasyl gehört übrigens zu den lieblichsten Partien der Steiermark, ich möchte es das Paradies derselben nennen. Eine Idylle von üppiger Fruchtbarkeit wechselnd mit romantischer Waldnatur übt die Landschaft daselbst ohne gerade großartig in ihren Hauptconturen zu sein durch ihr reichhaltiges Detail einer kräftigen Vegetation einen wohlthuenden Zauber auf das menschliche Gemüth, gegen den selbst wir verwöhnte Landeskinder nicht abgestumpft sind.

Was nun die Teilnahme an Ihrem Illustrationswerke über Ceylon betrifft, die hochverehrter Herr mir in so schmeichelhafter Weise einräumen, so müßte ich dieselbe als die erfreulichste und ehrendste Thätigkeit meines Künstlerlebens betrachten, dessen || Abend noch von so glänzendem Sonnenschein beleuchtet zu sehen ich niemals hoffen konnte. Ich wage daher hochverehrter Herr Sie hiemit höflichst einzuladen ja im Vereine mit meiner Frau bitte ichc Sie geradezu, wenn es Ihnen möglich ist in den Monathen August und September auf beliebige Zeit je länger je lieber uns mit Ihrer Anwesenheit in Wildbach als Gast zu beehren.

Ob ich wohl im Stande bin Ihnen einen eigentlichen Unterricht zu ertheilen, muß ich vor der Hand bezweifeln, aber was ich hoffe ist, daß ich vielleicht an der zur Publikation Ihrer vielen künstlerischen Beigaben nöthigen Aus- und Durchführung einigen fördernden Antheil nehmen könnte, wozu doch immerhin Zeit und Muße gehört, die in der stillen Zurückgezogenheit von Wildbach vorhanden wäre. Mir persönlich müßte diese Theilhaberschaft die freudigste künstlerische Genugthuung gewähren, würde aber auch indirecte manchen schweren moralischen Druck aufheben unter dem mit mir auch eine gute patriotische Sache zum großen Theil aus – Unverstand zu leiden hat.

In der leisen Hoffnung daß Sie hochverehrter Herr unsere Bitte in Erwägung zu ziehen so gütig sein möchten, zeichnet mit vielen Empfehlungen von meiner Frau, und der Bitte mich auch unbekannter Weise Ihrer geehrten Frau Gemalin in freundliche Erinnerung zu bringen mit ausnehmender Hochachtung und Verehrung ergebenst

Bon Königsbrun

a eingef.: erhalte; b gestr.: ger; c eingef.: ich

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
13.05.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28948
ID
28948