Kölliker, Albert von

Albert von Kölliker an Ernst Haeckel, Würzburg, 22. Januar 1864

Würzburg 22. Januar | 64.

Mein lieber Haeckel!

Ich sende Ihnen hiermit Ihr Radiolarienbuch mit dem besten Danke zurück und hoffe, daß ich dasselbe nicht erheblich werde abgenutzt haben. Ich habe vor kurzem entdeckt (!) daß unsere Bibliothek dasselbe auch besitzt, es ist jedoch bekanntlich fast leichter etwas vom Monde als von unserem Herrn Bibliothekar zu erhalten und müssen Sie schon entschuldigen, daß ich in zweiter Linie auch Sie in Mitleidenschaft gezogen. Das Studium Ihres Werkes hat mir ein wahres Vergnügen bereitet und gratulire ich Ihnen auch nachträglich zu dieser vorzüglichen und reichhaltigen Arbeit, so wie dazu daß Sie an dem vieldurchforschten Gestade des Mittelmeeres noch eine solche reiche Grube zu eröffnen verstanden. || Bei so unwerten Umständen können Sie über das dumme Urtheil der Pariser Akademie wohl sich trösten, zugleich aber, wie ich schon seit langem, sich aus demselben die Lehre abstrahiren, mit diesem Volke nichts zu schaffen zu haben, da bei demselben in der Regel nicht der wahre Verdienst sondern nur Nebenrücksichten den Ausschlag geben.

Mir scheinen nach Allem was ich nun von Ihnen erfahren, die Radiolarien entschieden vielzellig zu sein und zwischen den Rhizopoden und Spongien zu stehen, welche letztere in letzter Zeit von mir genau untersucht worden sind und vielzellige Organismen darstellen. Am meisten stört mich die Centralcapsel, von der ich trotz allen Nachdenkens nicht weiß ob ich sie für eine einfache sonderbare Zelle oder für einen Zellencomplex zu nehmen habe. Haben Sie in dieser Beziehung eine ausgesprochene Ansicht? Auch ist mir auffallend daß bisher weder Eier noch Samenfäden bei den Radiolarien gefunden sind, die doch bei den Spongien so leicht sich nach-||weisen lassen – während allerdings die Rhizopoden bis jetzt auch nichts derart zeigten.

Ihr Anerbieten mir einige Ihrer Präparate zur Ansicht zu senden nehme ich mit Dank an und würde ich vor Allem um die Gattungen mit Kieselnadeln (Aulacantha, Physematium, Thalassosphaera, Sphaerozoum und Raphidozouma) bitten, deren Nadeln mich mit Hinsicht auf die der Spongien interessiren und von denen ich gern wissen möchte, ob sie in der That auch bei der höchsten Vergrößerung keinen Centralkanal enthalten. Dieser ist nämlich in manchen Spongiennadeln, bei denen Schmidt ihn leugnet, so fein, daß man ihn nur mit dem System 10 von Hartnack sieht. – Was Sie sollten senden können und wollen erhalten Sie auf jeden Fall bald zurück.

Mit freundlichsten Grüßen

Ihr treu ergebener

A. Kölliker

a korr. aus: Rhphidozoum

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
22.01.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28918
ID
28918