Kükenthal, Willy

Willy Kükenthal an Ernst Haeckel, Les Avants, 14. März 1898

PROF. W. KÜKENTHAL

JENA.

Les Avants d. 14/3 98.

Lieber Herr Professor!

Ihr Brief, den ich gestern erhielt, hat, wie Sie sich wohl denken können, wie eine Bombe eingeschlagen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß die Sache so schnell zur Erledigung kommen würde. Meine Frau ist natürlich ebenfalls in großer Aufregung, und wünscht, wie ich auch, daß die Sache so oder so zur Entscheidung kommt, damit das „hangen und bangen in schwebender Pein“ bald ein Ende hat. || Auf jeden Fall bin ich Ihnen aber sehr dankbar, daß Sie sich meiner so thatkräftig angenommen haben. Sollte ich, was ich kaum zu hoffen wage, nach Breslau kommen, so wird wohl die schönste Zeit unseres Lebens vorüber sein, meine Frau kann sich gar nicht vorstellen, vom lieben alten Jena wegzugehen.

Hier in Les Avants verbringen wir stille, friedliche Tage. Nach ein paar Tagen Nebels haben wir wieder strahlenden Sonnenschein, und sitzen den ganzen Vor- und Nachmittag im Freien. Meine || Frau hat sich ausgezeichnet erholt; es ist doch ganz merkwürdig, welche Heilkraft das Höhenklima hat! Sie läßt Sie und Ihre liebe Frau vielmals grüßen!

Auf der Hinreise war ich ein paar Tage bei unserm Freunde Lang in Zürich, und fand ihn und seine Familie wohl auf. Er ist noch immer der alte, gute Lang, ein behäbiger Hausvater. Sein Institut ist übrigens musterhaft, und die Lehrsammlung die beste, welche ich bis jetzt gesehen habe.

Von Römer hatte ich vor ein || paar Tagen Nachricht, und habe ihm sogleich geantwortet, daß er unbedingt die Stelle in Berlin annehmen müsse. Er eignet sich entschieden ausgezeichnet zum Museumsmann. Für uns ist das ein großer Verlust! Einen derartigen Assistenten werden wir kaum wieder bekommen.

Nun leben Sie wohl, verehrter Herr Professor, die herzlichsten Grüße!

Von Ihrem getreuen

Kükenthal.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.03.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 28409
ID
28409