Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 31. Juli 1901

Triest, am 31. Juli 1901

Hochverehrter Freund!

Von Ihrer herrlichen Reise haben wir wieder reichlichen Genuß gehabt und ich wollte Ihnen schon lange dafür danken. Die Reisebilder in der Rundschau sind uns eine große Freude, eine so prächtige Schilderung all der großartigen Landschaften und Naturschönheiten, die Sie gesehen, daß man manchmal so stark wird zu meinen, man hätte selbst an den Genüssen Theil gehabt. – Besonders danke ich Ihnen auch für die Zusendung der Separathefte Ihrer Reisebriefe durch die Verlagsbuchhandlung und kann Ihnen nicht genug sagen wie viel und wie treu wir immer in unsrer fernen Ecke an Sie und Ihre kostbare Freundschafta unser Haus danken. – Aber eben darum ist auch die Sehnsucht groß, wieder einmal von Ihnen persönlich etwas zu erfahren, wie Ihnen || das anstrengende Unternehmen bekommen, wie Sie die verehrten Ihrigen gefunden, ob Sie nicht vielleicht im Laufe des Sommers in unsre Berge kommen?

Wir wollen nun der schon etwas argen hiesigen Hitze entfliehen und gehen zunächst auf den Brenner. Im Brennerbad oben auf dem alten Goethe-Paß ist für den August unsre Sommerheimath. Für Briefe genügt die Adresse. Valentine, meine Frau und ich, Kopfs wären da, wenn Sie vorüberkämen. Im Frühjahr war ich mit meiner Frau in Berlin & Dresden. Wären Sie nicht eben auf Java gewesen, so wäre Ihnen ein Überfall nicht erspart worden. Berlin hat mir nach vielen Jahren sehr imponirt, aber leben möchte ich nicht in dem Meer von Häusern und gepflegten Straßen. Ich habe viele alte Freunde wiedergesehen und, wie jedesmal in Deutschland, michb an dem || Anblick der ungeheuren Entwicklung sehr erfrischt. Nun hat aber auch bei uns ein Ruck nach vorwärts stattgefunden. Endlich wird die große Bahn über die beiden Gebirge gebaut, die uns vom Norden trennt und wir kommen dem großen Centrum näher. Kommen Sie um wieder einmal, Ihre alten hiesigen Freunde & Verehrer zu besuchen und zu sehen, daß wir doch nicht so ganz aufgehen in dem Jammer unsrer politischen Umstände.

In der Familie geht es ganz gut. Meine Mutter ist eine sehr alte Frau geworden, aber sie ist doch noch da und hat Freude am Leben. Valentine ist ziemlich leidend, aber hoffentlich erholt sie sich in den Bergen. Uns geht es gut und unser Haus ist immer für Sie offen, wenn Sie vielleicht einmal diese Route wählen. –

Empfangen Sie diesen Gruß in bestem Wohlbefinden & empfehlen Sie uns Ihrer verehrten Frau Gemahlin; endlich erfreuen Sie wieder einmal mit einem Gruße Ihren Sie hoch verehrenden und stets ergebenen

G. Krauseneck

a eingef.: Freundschaft; b korr. aus: an

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
31.07.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27801
ID
27801