Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 1. August 1907

ZOOLOGISCH-VERGL. ANATOMISCHES LABORATORIUM

BEIDER HOCHSCHULEN

ZÜRICH.

den 1 August 1907

Verehrter und lieber Lehrer und Freund!

Sie haben mir durch die Zusendung der prächtigen Wanderbilder aus der herrlichen Tropenwelt eine grosse Freude bereitet, an der meine Familie und ganz besonders Rosa Lilia nach ihrer Rückkehr aus der Sommerfrische (der Name ist heuer sehr passend) zweifellos intensiv theilnehmen werden. Haben Sie vielen vielen Dank für das schöne Geschenk, das ich Rosa Lilia zuweisen werde, da Sie ihr seiner Zeit die früheren Lieferungen zu schenken die Güte hatten. Sehr originell und gelungen ist auch die Apotheose des Entwicklungsgedankens das Produkt des harmonischen Zusammenwirkens eines naturfreudigen Künstlers || und eines künstlerischen Naturforschers! Nicht zum mindesten aber erfreute und erquickte mich Ihr so freundlicher und liebenswürdiger Brief, dem ich zu meiner lebhaften Genugtuung entnehme, dass Ihr Befinden ein befriedigendes ist. Obschon 20 Jahre jünger, muss ich Sie doch um die Energie und Frische beneiden, mit der Sie so viele und grosse wissenschaftliche und andere Strapazen ertragen. Von Ihrem öffentl. Vortrage im Volkshaus und von der grossen Ehrung in Upsala habe ich gelesen. Ich wäre selbst auch gerne nach Upsala gegangen, allein die grossen Universitätsbaufragen in Zürich (Kollegienhaus und Zool. Institut) liessen mich nicht abkommen. An Ihrem phyletischen Museum werden Sie wohl || grosse Freude erleben und ich hoffe des Bestimmtesten an seiner Einweihung nächstes Jahr (bei Anlass der grossen Jubilaeumsfeier der Universität, nicht wahr?) theilnehmen zu können und freue mich schon lange darauf.

Von der schweren Neuralgia brachialis, an der ich vorigen Sommer unter gewaltigen Schmerzen litt, habe ich mich völlig erholt. Ein dreiwöchentlicher, vom besten Wetter begünstigter Aufenthalt in Porto d’Ischia im Märza, dem Kleinod der Insel, hat Wunder gewirkt und mich wieder völlig gestärkt, nachdem mir die Strapazen des langen und angestrengten Wintersemesters stark zugesetzt hatten. Wir leiden an einer Ueberfüllung der Universität, besonders von Seiten der Slaven, die wir uns fast nicht mehr vom Leibe halten könnenb. Im Laboratorium freilich ist ihnen der Zutritt fast unmöglich gemacht. Der Kursus war im S. Sc so überfüllt, dass ich bei || einer Frequenz von 60d Schweizern und Deutschen noch über 60 (vorwiegend Russen) abweisen musste. In der Vorlesung, hatte ich 260 eingeschriebene Zuhörer!

Ich beabsichtige, die langen schönen Herbstferien zu Hause zuzubringen. Es ist ja hier oben an der Rigistrasse wunderschön und es fehlt im Garten nicht an schattigen, ruhigen Plätzchen, wo ich im Freien arbeiten kann, wenn es nicht gerade stürmt und schneit. Hoffentlich bringe ich nun endlich meine neue dicke Lieferung des Lehrbuches fertig (Einleitung zu den Metazoen) an der ich nun schon so lange arbeite.

Wann kommen Sie wieder einmal zu uns nach Zürich? Wir alle haben uns nun schon so lange auf Ihren Besuch gefreut, aber vergeblich. Haben Sie nicht Lust, von München auf einen Abstecher in unsere herrlich grüne Schweiz zu machen? Die Villa Lang ist immer zu Ihrem Empfang und für Ihre Unterkunft bereit! Ich werde mich aber erst daran gewöhnen müssen, Sie mit „Excellenz“ und „Herr Geh. Rat“ anzu- || reden aber ich weiss, dass Sie ja persönlich nicht viel darauf geben – und Nachsicht üben werden. Ich muss aber gestehen, dass es mich nach einer Richtung doch sehr gefreut hat, als ich von der grossen Ehrung hörte. Die Fürsten oder königlichen Hoheiten, die Ihnen Rang und Titel verliehen, haben sich damit selbst geehrt und einen selbstständigen und unabhängigen Sinn geoffenbart, der in Anbetracht der bei ihren sonst herrschenden Standesvorurtheile, nicht hoch genug zu schätzen und zu anerkennen ist. Für die eifernden und geifernden Schwarzen war es eine bittere Pille!

Ich eile zum Schlusse. Haben Sie aber, lieber Lehrer und Freund, nochmals meinen wärmsten Dank! Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlin, bitte! Seien Sie selbst herzlichst gegrüsst von Ihrem stetsfort dankbar ergebenen

Arnold Lang

a eingef. mit Einfügungszeichen: im März; b korr. aus: könnten; c gestr.: ist, eingef.: war im S.S; d korr. aus: 40

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.08.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27205
ID
27205