Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Zürich, 23. November 1905 [Kopie]

Kopie.

Zoologisch-vergl. anat. Laboratorium beiden Hochschulen ZÜRICH

Brief an HAECKEL 23.XI.05.

Verehrter Lehrer und lieber Freund!

Es fällt mir über die Maassen schwer, irgend einem Wunsche Ihrerseits nicht sofort und ohne Weiteres entgegen zu kommen. Würde ich aber den Aufruf unterzeichnen, so würde ich mit mir selbst und mit meiner schon lange feststehenden Überzeugung in Konflikt geraten, daß eine Organisation des Freidenkertums der Sache eher schaden als nützen würde. Jede Organisation ist mit Zwang und Unfreiheit verbunden und wie mir scheint, mit dem Freidenkertum seinem innersten Wesen nach nicht vereinbar. Die Erfolge der bisherigen Organisationen haben mir nur zu sehr Recht gegeben. Nach meiner Überzeugung haben die Freidenkerkongresse und nicht zum mindesten der letzte in Rom, der Sache gewaltig geschadet, indem konfuse Geister und fragwürdige Existenzen die Oberhand gewonnen und die gute Sache diskreditirten. Die neue Organisation würde, wie ich befürchte, wieder zu einer neuen Kirche mit neuen Dogmen sich auswachsen, es würde wieder Pfäfflein Fanatiker, Superintendenten, Bischöfe und Päbste geben. Nach meiner Meinung wird die Geistesfreiheit am besten und dauerhaftesten durch ruhige, sachliche aber warme Belehrung in Wort und Schrift, Verbreitung und Vertiefung naturwissenschaftlicher Bildung in den Schulen aller Stufen gefördert. Sie schreiben, dass Sie auch Dodel eingeladen haben, sich zu beteiligen, ich möchte Sir vor dem Herrn warnen, lassen Sie ihn nicht zu sehr in den Vordergrund treten. Wir, die wir mit ihm und seiner Geschichte vertraut sind, wissen, daß er moralisch etwas sehr stark anrüchig ist und ich gehöre zu den sehr zahlreichen Leuten, die ihren Namen nur ungern in der Gesellschaft desjenigen Dodels sehen würden. Es war nach meiner Überzeugung der reinste Hohn, daß Dodel Vorsitzender einer ethischen Gesellschaft wurde. Forel dagegen ist ein || Mann, dessen Handlungen nur durch ideale Triebfedern bestimmt werden.

Die schlechten Nachrichten über Ihre Gesundheit haben uns außerordentlich betrübt. Sie haben sich eben doch in den letzten Jahren zu viel zugemuthet und mußten nun dafür büßen. Seien Sie doch ja recht vorsichtig und lassen Sie sich nicht zu Gewaltthuren verleiten, die bei Ihrem Alter trotz Ihrer unverwüstlichen Konstitution gefährlich sind. Wir alle hoffen und wünschen, daß die Besserung nicht nur langsame sondern recht rasche Fortschritte mache. Meine Frau und besonders Rosa Lilia empfehlen sich bestens, ich schließe mich ihnen auf das Herzlichste an mit der ganz dringenden Bitte, mir meine ablehnende Haltung ja doch nicht übel nehmen zu wollen.

In alter Verehrung und Freundschaft Ihr

Arnold Lang

Wir haben hier einen großen Zudrang von Studirenden, besonders auch, wie in Jena von Russen. Für meine 7stündige Vorlesung habe ich über 180 Zuhörer eingeschrieben.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
23.11.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27202
ID
27202