Lang, Arnold

Arnold Lang an Ernst Haeckel, Oftringen, 2. August 1875

Hochgeehrter Herr Professor!

In meiner Heimath angekommen, wo mit anderer Kost mein Magenleiden bald aufhörte, mache ich von Ihrer gütigen Erlaubnis Gebrauch und sende Ihnen beiliegend das Verzeichniß der in der Universitätsbibliothek vorhanden Bücher, deren ich zu meiner Arbeit bedarf. Für die freundliche Besorgung der Zusendung derselben spreche ich Ihnen zum Voraus meinen herzlichsten Dank aus.

Ich habe die Frechheit gehabt, die erste Auflage von Lamarck’s Zoologie philosophique mit nach Hause zu nehmen. Sie können überzeugt sein, dass ich zu derselben sehr Sorge trage.

Wenn Sie, geehrter Herr Professor, im Besitze der Biographie sind, die Isid. Geoffr. St. Hilaire seinem Vater gewidmet hat, so würden Sie mir durch deren Zusendung grosse Freude bereiten.

Während eines kurzen Aufenthaltes in Zürich hatte ich Gelegenheit, mich über die Stimmung zu erkundigen, die dort hinsichtlich der beiden Vertreter des Darwinismus in studentischen Kreisen herrscht. Hinsichtlich sind die Ansichten sehr ge- || theilt. Im Allgemeinen ist man von seiner Gelehrtheit nicht sehr überzeugt und von seinem übermässigen Hochmuth nicht sonderlich erbaut. Große Anziehungskraft scheint er auf die russischen Studentinnen auszuüben. Aus diesen Gründen imponirte er anfangs den Studenten, als Dr Keller in Zürich auftrat und seine academische Thätigkeit, Dodel Opposition machend, begann. Man erwartete Vieles von Keller. Seine Vorlesungen wurden von einem ziemlich zahlreichen Auditorium besucht. Leider, sagte man mir, habe man sich in diesen Erwartungen getäuscht und komme allgemein immer mehr zu der Ueberzeugung, dass Doctor Keller am Ende noch weniger tauge als Dodel. In der Neuen Zürich. Zeit. erschien eine Kritik von Dodels Buch „Die neuere Schöpfungsgesch.“ als deren Verfasser wegen der Worte, quod licet Iovi, non licet bovi, der Quintessenz der Recension, von seinen Bekannten Keller erkannt wurde, da diese Worte seinem ganzen lateinischen Sprachschatz ausmachen.

Da ich Ihren Grundsatz kenne, für andere Werke nie Vorreden zu schreiben, und denselben auch vollständig billigen muss, so glaube ich Ihnen zu dienen, wenn ich nunmehr nicht länger in Betreff einer Vorrede zu der deutschen Ausgabe Lamarck’s in Sie dringe, obschon er sich ja nicht um eine Originalarbeit handelt; || bin ich Ihnen ja doch schon für die bereitwillige Unterstützung, die Sie mir während meiner oft schwierigen Übersetzungsarbeit zu Theil werden liessen, zu grossem Danke verpflichtet!

Es würde mich unendlich freuen, wenn ich Ihnen einmal irgendeinen Gegendienst erweisen könnte.

Ihr ergebener Schüler.

Arnold Lang.

Lindenhof. Oftringen.

den 2ten August 1875.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.08.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 27131
ID
27131