Ehlers, Ernst

Ernst Ehlers an Ernst Haeckel, Göttingen, 25. Juni 1867

Mein lieber Häckel!

Heute erhielt ich von Ihnen eine doppelte Mittheilung so erfreulichen Inhaltes, dass ich meine grosse Schreibfaulheit mit grösster Leichtigkeit überwinde, um Ihnen neben dem Dank, dass Sie meiner gedachten, meine allerherzlichsten Glückwünsche zu Ihrer Verlobung auszusprechen. Wollen Sie auch Ihrer Fräulein Braut die Glückwünsche eines Freundes überbringen, der an Ihren Geschicken immer herzlichsten Antheil nimmt, und nun hofft, dass das Glück, welches Sie früher genossen, noch einmal Ihnen in vollem Maasse erblühen wird.

Aus Ihrer zweiten Sendung erfuhr ich nun || endlich genaueres über Ihre letzte Expedition, von der nur unsichere Kunde zu uns gedrungen war. Ich könnte Sie wirklich darum beneiden, denn auch mir wächst mehr und mehr die Sehnsucht, am Meere eine neue Auffrischung der zoologischen Studien vorzunehmen. Äusserst gespannt bin ich auf Ihre wissenschaftliche Ausbeute, verrannt wie ich augenblicklich noch immer bin, natürlich auf die Beobachtungen über Anneliden. Ich habe mich in einen Wust von anatomischen und systematischen Detail hineingearbeitet, dass ich sehr froh bin, jetzt wo der Druck meiner zweiten Abtheilung endlich im Gange ist, einen Abschnitt vor Augen zu haben. Ich hoffe Ihnen im Herbst einen Band über die Familien der Euniceen, Lycorideen Nephthydeen und Glycereen übersenden zu || können, den Sie vielleicht ansehen und – mit bedenklichem Kopfschütteln bei Seite legen werden. Detaillirte Detailstudien! neuer Wust von Beobachtungen! so werden Sie sagen, und ich werde Ihnen nicht ganz Unrecht geben können. Allein trado quae potui faciant meliora potentes. Ich komme aber von meinem Thema ab, dass ich äusserst gespannt auf Ihre weiteren Mittheilungen bin; hoffentlich liefert Dr Greef uns viel Anatomisches und Entwicklungsgeschichte; das ist, nach meinem schwachen Ermessen, die für die Erkenntnis der Würmer wichtigste Aufgabe.

Während Sie auf den Canaren waren, habe ich mich redlich mit Ihrer generellen Morphologie herumgeschlagen, und wenn ich Ihnen auch in

vielen Punkten nicht folgen kann, oft lebhaft Widersprucha bei mir selbst erhoben habe, so habe || ich doch sehr viel Anregendes gefunden, und finde es noch, so oft ich einzelne Sachen bei Ihnen nachschlage. Nun dass Sie viele Widersacher erhalten haben, das werden Sie wohl schon anderweitig erfahren haben: Sie haben eben doch Manchen, der vielleicht nicht darauf vorbereitet war, nicht eben mit Sanftmuth angefasst. – Darum aber keine Feindschaft!

Nun leben Sie wohl, lieber Freund. Meine Frau trägt mir für das Brautpaar die besten Glückwünsche auf. Empfehlen Sie mich Gegenbauer. Mit herzlichem Gruss

Ihr

treu ergebener

E. Ehlers

Göttingen 25 Juni 1867

a korr. aus: widerspruch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.06.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 2698
ID
2698